Exodus der Xabong
ewigen Waage, die sich zyklenartig zur einen wie zur anderen Seite neigte.
Ken-Drabon wartete geduldig.
Denn so unterwürfig sich Kommandant Oohn-Rhaat auch geben mochte, so verstand er sich doch ganz genauso auf diese Art von Machtspielchen, wie es der Priester umgekehrt auch tat.
»Es hat eine Oberflächen-Invasion durch den Feind gegeben«, erklärte Oohn-Rhaat. »Gegenmaßnahmen wurden bereits eingeleitet. Das betroffene Gebiet wird großflächig mit Lenkwaffen bekämpft und anschließend werden wir unsere Elite-Tanjaj ausschicken, um die Heiden zu töten.«
Das ist also der Grund für die übergroße Nervosität! , ging es Ken-Drabon durch den Kopf. »Wie konnte es passieren, dass so etwas geschieht?«, fragte der Priester.
»Wir beobachten schon seit längerem, dass der Feind sich in seiner Tarnung verbessert. Die Menschenschiffe stoßen trotz all unserer Sicherheitsvorkehrungen im Schleichflug bis tief in unser Gebiet vor. Gerade deshalb ist ja die Tätigkeit unseres Störsenders von so großer Wichtigkeit, denn damit verhindern wir, dass sie einen koordinierten Angriff fliegen können, der für ihre taktische Vorgehensweise um so viel wichtiger ist, als für uns.«
Er hat die Sorge, dass ich ihm ins Handwerk rede , erkannte Ken-Drabon. Ihm war durchaus bewusst, dass viele seiner Mit-Priester dies taten, wobei die Penetranz der Einmischung sich Ken-Drabons Beobachtungen nach meistens entgegengesetzt proportional zum tatsächlichen Rang verhielt.
Wer wirklich etwas war, brauchte es dafür um so weniger zu beweisen. Das war wohl die Logik, die hinter allem stand.
Ken-Drabon hatte sich jedenfalls vorgenommen, weitestgehend darauf zu verzichten.
»Tu, was immer du für notwendig hältst, Kommandant Oohn-Rhaat«, sagte der Priester und vollführte dabei eine ausholende Geste mit seiner Krallenpranke. Eine Geste, die in diesem Fall gleichermaßen Großzügigkeit und Machtwillen signalisieren sollte. Er öffnete halb den Schnabel, ohne zunächst etwas hervorzubringen, abgesehen von einem Strom von Luft, der aufgrund der speziellen kridanischen Ernährungsgewohnheiten einen ziemlich strengen Geruch hatte. »Ich erwarte allerdings, dass du dies umgekehrt auch so siehst, wenn es an mir ist, zu entscheiden.«
»Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen«, versicherte der Kommandant, dessen Erleichterung für Ken-Drabon deutlich spürbar war. Oohn-Rhaat legte den Kopf schief. »Hast du schon eine Entscheidung wegen des Störsignals getroffen?«, setzte Oohn-Rhaat dann noch eine Frage hinzu.
Ich weiß, das ist es, was dir am meisten unter den Krallen brennt. Aber da wirst du dich noch etwas gedulden müssen! , dachte Ken-Drabon. Laut sagte der Priester ein knappes: »Nein.«
»Ich hatte eigentlich gedacht …«
»Was?«
»Dass dies eine Formsache wäre.«
»Nein, das ist ganz sicher keine Formsache«, erwiderte der Priester krächzend.
Später ging Ken-Drabon in den kleinen Tempel der Station HEILIGER ZORN.
Was die Kampfhandlungen an der Oberfläche anging, so hatte sich der Priester des inneren Kreises entschlossen, sie nicht weiter zu beachten. Der Kommandant würde ihn ganz sicher darüber in Kenntnis setzen, wenn sich dort etwas Entscheidendes ereignete.
Aber was immer es auch sein mag, es ist allenfalls eine Nebensächlichkeit , überlegte Ken-Drabon, während er zwischen die Tempelsäulen trat und sich in meditative Versenkung versetzte.
Der Inhalt all der abweichenden, ketzerischen Schriften belastete ihn vielleicht doch mehr, als er geglaubt hatte. Aus Sicherheitsgründen hatte sich Ken-Drabon den Inhalt dieser Schriften größtenteils einprägen müssen. An den Priesterschulen der Kridan wurden dazu spezielle Memoriertechniken gelehrt, die es bei besonders begabten Schülern möglich machten, sich auch längere Texte nahezu wortwörtlich zu merken.
Die Priesterschaft versuchte auf diese Weise, die heiligen Überlieferungen für den Fall vor dem Vergessen zu retten, dass es zu einem Ausfall aller Speichermedien kam. Zwar galt der Eintritt eines solchen Ereignisses als extrem unwahrscheinlich, aber man wollte sich einfach nicht ausschließlich auf elektronische oder schriftliche Verfahren der Textsicherung verlassen. Außerdem gab es in den Schriften des Ersten Raisa einige Zeilen, die als Aufforderung in diese Richtung interpretiert wurden.
Bewahren sollst du all diese Worte in deinem Verstand und gegenwärtig halten in deinen Gedanken immerdar – denn das ist wahre Priesterschaft im
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