Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
Privilegierte und Reiche waren. Dann wird alles selbstverständlich und geht in einem Wahnsinnstempo dahin, sodass du gar nichts mehr richtig wahrnimmst. Das entspricht mir aber nicht. Ich bin ein Mensch, der gerne genauer hinschaut, intensiv spürt und eben gerne immer weiter lernt. Und das geht nur, wenn du dich den Kleinigkeiten des Lebens und des Reisens widmest, wenn du dich auf die Straße begibst. Mein Entschluss in dieser Nacht war also klar.
Diese Reise, eine echte Reise ins Unbekannte, ins Sehnsuchts-Hippie-Land, wollte ich unternehmen, und zwar nur mit Bockhorn. Jetzt konnte ich andere Länder und Kulturen wirklich entdecken, jeden Tag unterwegs sein auf der Straße, das Getümmel in den Städten und kleinen Ortschaften spüren, hautnah unter (echten) Menschen. Mit unserem Bus war das etwas Besonderes, ganz anders als diese Jobtrips oder wenn ich den Stones hinterherflog. Wir fühlten uns jetzt so langsam wie Schnecken, die ihr Haus mitführen, ein ganz besonderes buntes, toll eingerichtetes Haus mit lauter Spezialfächern, die sich Bockhorn ausgedacht hatte. Alles hatten wir dabei, was uns wichtig war: meine Malsachen, meine Bücher, Klamotten, Vorräte, Drogen. Wir haben auf kleinem Raum unseren ganzen Haushalt mitgeführt, aber eben sehr dezimiert. Da nur ein limitierter Platz da war, musste immer, wenn ich mir etwas Neues kaufte, etwas Altes rausfliegen.
Selbstportrait
Das ist eigentlich ein sehr gesundes Prinzip. Dann machen die Sachen auch keinen Spaß mehr, weil alles einfach zu viel ist. Allerdings war das mit Bockhorn gar nicht so einfach, denn er hat mich ständig mit wunderschönen Dingen, ja, Kostbarkeiten beschenkt. In Hamburg waren es zum Beispiel Antiquitäten, von denen ich immer noch einige besitze. Die Statue mit der müden Kriegerin ist bis heute eines meiner Lieblingsstücke. Wenn mir später auf der Indienreise ein Sari gefallen hat, dann sollte ich gleich dreizehn kaufen, weil das seine Glückszahl war. Wenn ich sagte, dass mir zwei auch reichen, dann mussten es aber mindestens sieben sein, weil das auch eine magische Zahl war. Trotzdem ist das Besitzen auf Reisen etwas anderes, als wenn du in einer Siebenzimmerwohnung Schätze hortest. Die Dinge werden so noch kostbarer. Unter anderem, weil der Raum dafür naturgemäß begrenzt ist und du mit jedem Ding ein ganz nahes Erlebnis verbindest.
Was rausgenommen wird auf einer Reise mit einem Riesenbus, ist neben dem Raum im Inneren auch das Tempo. Du kommst beim Fahren wie in eine Art Trance. Wir lernten auf unseren Reisen, viel bewusster zu leben und nicht mehr so verschwenderisch mit Alltäglichem umzugehen. Wenn du in Ländern bist wie in Indien oder auch in Mexiko, dann ist Wasser sehr kostbar, weil es so spärlich ist. Du bekommst automatisch einen anderen Blick dafür, was bei uns einfach so aus dem Wasserhahn kommt. Du lernst so, etwas scheinbar Selbstverständliches zu achten und zu respektieren. In vielen Ländern ist Wasser ja nicht mit Gold aufzuwiegen.
Was man bei unserer Art des Reisens außerdem lernte, war, sich mit den Sitten und Bräuchen der Länder, die wir durchquerten, auseinanderzusetzen und sie zu respektieren. Wenn man so unterwegs ist, wie wir es waren, ist man immer mittendrin. Wir waren keine Beobachter, die sich hinter Fotoapparaten verschanzten. Klar gehörten wir auch nicht einfach dazu, nur weil wir dem Unbekannten unseren Respekt zeigten. Aber wir waren keine Eindringlinge, sondern eher Nomaden, Umherziehende, die einem Land einen Besuch abstatteten, Erfahrungen sammelten und dann wieder weiterzogen, ohne negative Spuren zu hinterlassen. Ich wäre zum Beispiel in Pakistan nicht auf die Idee gekommen, in engen Jeans und mit großem Ausschnitt herumzulaufen. Wenn du wirklich auf eine Reise gehst, dann musst du dich deinem Weg und dem, was dich da immer wieder von Neuem umgibt, anpassen. Du musst lernen, das zu spüren, Feingefühl und Mitgefühl zu entwickeln – aber spielerisch. Dann kannst du eine richtig gute Zeit erleben.
Anna: Immer so nah wie möglich an allem dran sein, das war eure Reisephilosophie.
Uschi: Na ja, wir hatten einfach eine große Sehnsucht nach Freiheit und echten Erfahrungen. Von der orientalischen Mystik fühlten wir uns alle damals angezogen, weshalb auch viele andere Hippies in Richtung Indien und Afghanistan zogen. Hinzu kam, dass es das beste Dope gab und auch noch zu niedrigen Preisen.
Aber einer unserer Hauptgründe zu reisen war: Wir wollten ein Netz von Freunden in der
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