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Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Titel: Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Obermaier
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die er noch vor unserer Zeit lebte. Dann hat er den Grafiker Peter Wandrey kennengelernt und eben Paul Penner, der im Antiquitätenhandel tätig war und einen ausgezeichneten Geschmack für Inneneinrichtungen besaß. Unter diesem Einfluss fing Bockhorn an, seine Wohnung zu stylen. Er lernte, dass man im Leben jede Situation, jeden Platz in Szene setzen und sich selbst darin ausdrücken kann. Von seiner Afrikareise, die er ebenfalls noch unternommen hatte, bevor wir uns kennenlernten, hatte er exotische Tierfelle mitgebracht, auf Flohmärkten und in Antiquitätenläden fand er Büsten und edle Antiquitäten. Dazwischen standen Marihuanapflanzen. In einem Aquarium voller Piranhas arrangierte er Totenschädel, dazwischen lag irgendwo seine goldene Rolex. Er spielte mit diesen Bildern, übersetzte seine Gefühle und wie er die Welt um sich herum wahrnahm. Überall in der Wohnung und auch später in unserem Bus entdeckte man solche kleinen Szenarien und Arrangements, die den Blick auf sich zogen.
    Ein Lieblingsspruch von Bockhorn, der mich bis heute begleitet: Du musst an deine eigenen Märchen glauben oder selber welche entwickeln. Das macht kein anderer für dich.

Das Leben, ein Happening
    Irgendwann kaufte er aus Bundeswehrbeständen alte Soldatenstiefel. Die stapelte er mitten in einem Zimmer und besprühte sie mit Goldfarbe. Nach ein paar Tagen oxidierte die Oberfläche auf den Schuhen und wurde türkisfarben. Das sah toll aus. Heutzutage würde man das wahrscheinlich eine Installation nennen … Er hat das damals aber nur aus Spaß gemacht und hatte auch keine Begründung dafür, keinen gedanklichen oder intellektuellen Überbau. Das war ihm nicht wichtig. Er war ein absoluter Bauchkünstler. Und er hatte unglaublich viele verrückte Ideen, er sprühte vor Kreativität. Das verbale Begründen für seine »Werke« hatte Bockhorn nicht drauf und auch gar nicht wirklich das Interesse daran. Er wollte nur machen. Und er hat eben die unglaublichsten Installationen gemacht. Er wäre ein super Künstler gewesen.

Mewi und Bockhorn

Dann fing er an, sich mit Dalí und dem Surrealismus zu beschäftigen. Diese Kunstrichtung entsprach absolut seiner Denk- und Gefühlswelt. Hier fand er sich und den Gedanken an die absolute künstlerische Freiheit, die jeder Mensch haben sollte. Als er diesen Stil für sich entdeckt hatte, kam es auch bei ihm zu einer kompletten Änderung seines Stylings: Alle Cardin-Anzüge flogen aus dem Schrank, er trug nur noch coole Klamotten, wurde zum Rocker mit viel Schwarz und Leder.
    Das konnte er, sich von einem Moment zum anderen neu entwerfen und seine Form dem sich veränderten Inhalt anpassen. Wenn er für sich etwas Neues entwickelt hatte, konnte man das förmlich sehen.
    Normale Statussymbole, auf die andere Männer scharf waren, Autos zum Beispiel, waren ihm nicht so wichtig. Er fuhr in den ältesten Kisten herum. Ich erinnere mich an einen alten hässlichen Fiat, bei dem die Türen nicht zugingen, mit mir auf dem Beifahrersitz. Mit den Autos konnte man rumplottern über Bordsteinkanten, zum Beispiel, um Rotlichter zu umgehen. Bockhorn wartete nicht gern, auch nicht vor Ampeln. Wenn ihn die Bullen dann erwischten, redete er sich mit seiner Silberzunge heraus, bis die irgendwann sagten: »Aber Dieter, pass mal gut auf, mach das nicht noch mal. Jetzt fahr mal weiter.«
    Mit seinen Autos war er unglaublich lässig, diese Statussymbole hatte er einfach nicht nötig. Nur mit unserem Bus, mit dem wir auf die große Reise nach Asien gingen, da war er fanatisch. Aber der interessierte ihn auch nicht unbedingt als Gefährt, sondern als Gesamtkunstwerk, an dem er wochenlang in Vorbereitung vor dem großen Trip nach Indien rumbastelte und -feilte. Und das in jedem Zustand. Der Bus war zum Schluss das reinste »Rattenfänger-von-Hameln-Projekt«, so bunt und interessant sah der aus. Wenn wir campten, zog er seine Adlerflagge hoch, und dann gab es viel zu schauen. Die Motorbikes, das Motorboot am Dach, obendrauf noch ein Surfboard, unsere Taucherflaschen und alles, was wir nach Freibeuterart von den ganzen Firmen eingeholt haben. Dafür hatten wir teilweise hart verhandelt. Die Firmen gaben die Sachen ja nicht einfach umsonst her. Sie wollten dafür schöne Fotos. Wenn uns Barracuda zum Beispiel Taucherflaschen und Taucheranzug mitgab, gab es dafür ein tolles Bild von mir mit der gesamten Ausrüstung in der Zeitung.
    Unser Bus war dann vor unserer Abreise aus Hamburg so begehrt, auch bei den Luden, dass

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