Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
ganzen Welt haben. Und davon lebe ich heute noch. Als ich zum Beispiel 2013 in Thailand war, hatte ich dort auch einen Freund, den ich treffen konnte und der mir die Reise organisieren half, und noch andere Bekannte. Ich habe fast überall auf der Welt Freunde. Das trägt mich durchs Leben. Ich bin nirgendwo auf der Welt ganz fremd, habe jemanden, der mir weiterhelfen kann, und fühle mich aufgehoben.
Anna: Das ist angesichts dessen, dass du dich von Kindheit an schwergetan hast, Männern zu vertrauen, eine unglaublich heilsame Entwicklung. Freundschaften einzugehen und sie zu pflegen ist doch die reine Liebe?
Uschi: Maybe. Für mich war das anfangs auf jeden Fall schwierig. Ich habe lange Zeit das Wort Liebe mit Begehren und mit einem Lover oder, als ich klein war, mit meinem Vater oder meiner Mutter gleichgesetzt. Und da war mein Satz, in dem sich alle meine frühen Erfahrungen gesammelt hatten: »Ich will nicht lieben, denn da wird man nur verletzt, das tut nur weh!« Ja, das habe ich mir schon als Siebenjährige eingebläut.
Eigentlich – was ja keiner glaubt – bin ich eine sehr scheue Person. Wenn ich jemanden kennenlerne, weiß ich anfangs nicht, was ich sagen soll. Von Bockhorn habe ich gelernt, offener zu sein und mich auch Freundschaften zu öffnen. Dadurch, dass ich im Grunde ziemlich scheu bin, kann ich beispielsweise manchmal auch ein Gespräch nicht so gut aufrechterhalten, und es kann vorkommen, dass ich plötzlich in Schweigen verfalle. Das mag ich nicht, weil es mich noch unsicherer macht. Mit Bockhorn konnte ich reingehen in eine Konversation und auch wieder rausgehen, wenn ich wollte. Er hat das Gespräch kontinuierlich fortgeführt und den anderen und sich ein gutes Gefühl gegeben. Er liebte die Menschen einfach. Ich bin viel misstrauischer. Durch ihn kam es auf jeden Fall, dass ich auch nach seinem Tod über diesen großen Schatz an Freunden verfügte. Auf die konnte ich mich einlassen, sie waren verlässlich. Ein wenig habe ich diese Erfahrung ja auch mit einigen Verwandten von mir gemacht, die sich um mich als Kind kümmerten. Auch das Zusammensein mit meinen Cousins und Cousinen hatte etwas sehr Freundschaftliches.
Heute würde ich sagen, dass sich Freundschaft und Liebe manchmal auch vermischen. Das eine geht ohne das andere gar nicht. Weil ich so gerne liebe, kann ich auch ohne Freunde nicht leben. Deshalb ist das Wichtigste für mich nach wie vor: Ich will lieben und geliebt werden. Das ist das Allerwichtigste.
Anna: Ist dann der Grundgedanke hinter den Freundschaften all over the world, dass man überall auf der Welt geschützt ist? Dass man nie allein auf der Welt ist?
Uschi: Ja, viele aus meiner Generation waren mit dem Gefühl groß geworden, sich fremd in ihrer Herkunftswelt zu fühlen. Mit einem Netz aus Freunden aber hattest du überall auf der Welt einen Anlaufposten, selbst in Kathmandu. Und da sich die Freunde dort vor Ort auskennen, bist du auch kein Fremder mehr und verschmilzt mit der neuen Umgebung. Ich wollte immer so gerne den Hippietraum World Citizen Passport besitzen. Doch das wird’s wahrscheinlich nie geben. Aber immerhin sind zwei Pässe schon mal ein Schritt näher zu diesem Traum. [Uschi besitzt die deutsche und die amerikanische Staatsbürgerschaft.]
A prince among men
Bockhorn und ich konnten auf dem Weg auf jeden Fall unser ständiges Gerangel und Messergewetze vergessen, seinen Frust darüber, dass ich damals einfach einen Namen hatte und nicht völlig abhängig von ihm war. Mir war das ja grundsätzlich egal, aber vielleicht hat er sich auch manchmal gefühlt wie der Prinzgemahl (obwohl er sich leider nur selten so brav benommen hat). Ich wollte ja mit ihm zusammen sein, jedoch eben auch zu meinen Bedingungen. Jetzt, als der Bus endlich fertig war, war der Weg für uns frei. Endlich kamen wir vom Fleck und stürzten uns ins Unbekannte, Elementare, ins Neue, nie Gesehene. Wir bewegten uns, lernten jeden Tag etwas Neues kennen, mussten unbekannte Wege gehen, um die Ecken schauen, staunten, lachten, liebten uns wieder. Das belebte uns, wirkte wie ein Elixier, und Bockhorn wurde wieder zu meinem one and only. Auf der Reise verliebte ich mich ganz neu in meinen Mann, den Kerl, den Prinzen unter den Männern – nicht den Prinzgemahl –, den Zauberer, der sich Dinge herbeiwünschte, und ein paar Minuten später schickte das Universum sie uns.
Wenn Bockhorn gut drauf war, war er die Lebendigkeit pur und verströmte die Wärme seines riesengroßen Herzens.
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