Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
tröpfelt oder sogar aus Eimern schüttet, dann ist das ein Großereignis, vergleichbar einer Sintflut oder zumindest eines rainstorms. Tatsächlich heißt es dann in den Nachrichten ganz bedeutungsvoll »Sturmwarnung«, wenn der Moderator mit ernster Miene einen stinknormalen Regen ankündigt. Meine europäischen Freunde, die hier leben, und ich lachen zwar darüber, aber insgeheim nehmen wir diese »Stürme« natürlich auch sehr ernst. Erstens sind wir ja mittlerweile hier alle angekommen. Und dann sind sie ein echtes Ereignis in diesem von Sonne gesegneten Land, nicht nur in meinem über alles geliebten Wunschort Topanga, in dessen Hügeln übrigens viele Kreative, Musiker, Leute vom Film oder aus den schönen Künsten leben. Das Hinterland von Los Angeles ist nach wie vor eine Art magischer Anziehungspunkt für viele Neo-Hippies, getreu der Tradition, dass hier in den sechziger Jahren die »Ur«-Hippies in Holzhäusern und Caravans im Canyon lebten. Wobei das für mich nie eine Rolle spielte; ich bin hier einfach eines schönes Tages gelandet. Es war Bockhorn, der Topanga damals »entdeckte«, wie so vieles andere in unseren gemeinsamen Jahren auch …
Tatsächlich braut sich …
… an unserem dritten Tag am Himmel etwas zusammen. Uschi wird richtig nervös. Wir sind für heute fertig und vereinbaren einen Termin für den nächsten Tag. Ich frage, was los ist.
»Ich muss dringend heim. Es regnet gleich.«
»Hast du die Fenster offen gelassen oder machst du dir wegen der Hunde Sorgen?«, frage ich.
»Nein«, winkt sie ab und stürmt davon, ihr Auto zu holen, »das Geräusch von Regen auf meinem Dach ist so toll. Das muss ich hören …«
Und weg ist sie, auf dem Weg in ihr Eulennest oben in den Canyons. Hier fühlt sie sich also geborgen, vor allem wenn der Regen laut und monoton gegen den metallenen Kamin prasselt und sie auf ihrem Sofa gemütlich eine Pfeife raucht. Uschi im Wunderland.
Mein Film
Vor dem sich immer wieder neu zusammensetzenden Canyon-und-Berge-Setting aus Formen, Farben und Lichtern kommen dann endlich meine Haupt- und Nebendarsteller ins Bild: Das sind in the order of appearance Vögel, Eidechsen, Kojoten, Rehe und andere Wesen mit vier Beinen oder auch ohne, meine Pepis (Sammelname für meine Eidechsen), manchmal ich als Pepi-Dompteuse (mit selbst entwickelter Dressur) und natürlich Pfefferbäume, oder je nachdem auch in anderer Reihenfolge.
Ich muss manchmal echt lachen: Wenn meine Mutter wüsste, dass ihre Tochter heute ausgerechnet in einem Land lebt, in dem der Pfeffer wächst. Wie oft hat sie ihrer widerborstigen, trotzigen »Ursula«, die abends Türen schlagend aus dem Haus stürmte, um auf die Piste zu gehen und sich in den Schwabinger Clubs unter Diskokugeln auszutoben, mehr als einmal wütend und frustriert nachgerufen, sie solle doch gefälligst dahin gehen, wo der Pfeffer wächst …
Was soll man auch tun mit einem Kind, dem es egal ist, wenn es mit seinen Freundinnen in der Trambahn als Nutte beschimpft wird, nur weil sie Miniröcke tragen? Dazu kamen die wilden Jungs und Musiker der Bands, die Lust auf mich bekamen, wenn sie mich beim Tanzen sahen, und mit denen ich dann nachts weiterzog … Meine arme Mutter schwitzte sicher mehr als einmal Blut und Wasser und schämte sich für mich. Sie musste sich noch so viel mehr schämen in den nächsten Jahren …
Ein Pepi
Mit meinem unstillbaren Hunger …
… nach Leben, nach Bewegung, Freiheit und Musik konnte sie leider nichts anfangen. Er widerstand ihr, machte sie wütend. Was nahm ich mir da eigentlich heraus? Was ich denn glaubte, wer ich bin …? Sie verstand nicht, wie mich das Leben bei uns daheim, in der Schule, der Lehre bedrückte. Wie es mich würgte und mit seiner Dumpfheit, Langeweile und Grobheit abstieß. Warum war ich zum Teufel nicht so wie die anderen Mädchen, die nichts anderes im Kopf hatten als eine ordentliche Ausbildung zur zukünftigen Mutter und Hausfrau und dann als Krönung einen anständigen Mann zu heiraten, der sie versorgte und dafür bestimmen durfte, wo es Tag für Tag langging?
Warum ich das nicht wollte? So ein reizvolles Leben? Instinkt, würde ich sagen, Überlebensinstinkt. Nein, ich weiß nur, was ich damals gefühlt habe: raus aus dieser Enge und diesen engen Vorstellungen, sobald es ging und so schnell wie möglich. Dass es ausgerechnet über meine Entdeckung als Fotomodell lief und dann über meinen skan-da-lö-sen Lifestyle in den Kommunen in Berlin und München, gab dann
Weitere Kostenlose Bücher