Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
eine Art Nacht der offenen Galerien mit Musik und viel Szenevolk. Es ist Valentine’s Day, und wir stehen von Anfang an im Stau. Zu Beginn ist es noch sehr lustig, Uschi und Paul beim lebhaften Politisieren zuzuhören, und der arme Paul muss sich als redneck beschimpfen lassen, obwohl er diesmal Obama gewählt hat. Zwischendurch wechselt Uschi den Radiosender, es laufen mal wieder die Stones. Jetzt also marokkanischer Stilmix vom Essaouira-Festival. Es geht im Schneckentempo voran, und Paul hält neben einer Polizeistreife an, die Uschi ein paar Minuten vorher wüst als korrupt und kriminell geschmäht hat (einen Tag zuvor wurde der laut Uschi zu Unrecht aus dem Dienst entlassene Polizist und Polizistenmörder Christopher Dorner von Kollegen gejagt und erschossen, weil er seinen ehemaligen Vorgesetzten wegen gewalttätiger Verhörmethoden angezeigt hatte). Paul fragt, warum die Straßen so überfüllt sind: »Es ist Valentine’s Day, und jeder führt seinen Schatz aus.« Kurze Zeit später klingelt Uschis Handy. Abdul ist in der Leitung.
Eigentlich wollte ich zwei Tage nach der Rückkehr aus Istanbul nach München fliegen, aber: Mein Lover meldete sich – sofort habe ich alles umgebucht und bin am nächsten Tag zu ihm geflogen. Das war vor vier Jahren. Da habe ich ihn zum letzten Mal gesehen.
Danach bin ich nach München in den Sommerurlaub und dann zurück nach L.A. Es gab noch ein bisschen Kommunikation, Faxe gingen hin und her, aber es war am Auslaufen, und ich litt. Als ich merkte, dass es total bergab mit mir ging, dass ich böse wurde, mich nicht mehr freuen konnte, nicht mehr sehen konnte, was eigentlich wirklich ist, war ich so weit, mir helfen zu lassen. Das war die Rettung. Alleine bin ich einfach nicht mehr weitergekommen.
Was ich mit den Jahren sehr kultiviert habe, …
… ist, mich um mich zu kümmern. Manchmal denke ich, dass eine Frau mit meiner Geschichte auch gut und gerne hätte abstürzen können. Aber in mir steckt trotz allem, trotz aller Ablehnung, die ich früher erfahren habe, auch eine gute Portion Selbstliebe. Und die ist wohl so groß, dass sie mir hilft, für mich dranzubleiben, weiterlernen zu wollen, Spaß am Leben haben zu wollen. Letztes Jahr habe ich plötzlich einen Bauch bekommen – so eine Wampe! Na gut, dann habe ich eben etwas dagegen gemacht und mich zusammengerissen, soweit es heute noch geht. So habe ich das auch immer mit den Drogen gehandelt. Ich habe mich nie richtig gehenlassen und mache das auch heute nicht. Diesen Zug habe ich, glaube ich, von meiner Mama.
Das heißt aber nicht, dass ich so leben würde wie Madonna: jeden Tag Makrobiotik, Fitness, Yoga, Pilates, six hours nur mit Beauty beschäftigt. Erstens ist es nicht schön, zweitens ist es langweilig, und ich hätte auch gar nicht die Zeit. So liebe ich mich dann auch wieder nicht, dass ich meine ganze Zeit auf mein Äußeres verschwende. Ich muss mich dazu auch immer wieder überwinden. Jedes Mal überlege ich, ob ich zum Yoga gehe oder nicht doch eine Ausrede habe. Aber es tut doch gut, wenn ich da gewesen bin.
Was auch wichtig ist, ist, Spaß zu haben. Immer wieder und nicht nur vor dem Hintergrund, dass das zu einem gesunden Leben gehört. Ich esse gerne, ich trinke gerne, ich rauche hin und wieder gerne eine Pfeife, aber das große Ding ist eben: »in Maßen«. Das ist der große Test in unserem Leben überhaupt. Mit allem: Essen, Trinken, Drogen, Sex, alles. Immer das Maß der Dinge finden, und jeder hat seine spezielle Ecke, wo es ihm schwerfällt.
Ich bin zum Beispiel mit Pillen extrem vorsichtig, eigentlich mit allen synthetischen Medikamenten. Ich mag und mochte nur organische Drogen. Obwohl das Gefühl nach einer starken Tablette sehr angenehm sein kann, weiß ich immer: Nein, das brauche ich gar nicht mehr. Da ist dann eine Sperre. Momentan fühlt man sich gut, aber danach eher schlechter. Das kenne ich noch von den harten Drogen. Irgendwann bist du so weit, dass du schon etwas nehmen musst, nur um dich normal zu fühlen. Das will ich nicht.
Anna: Wie schwer fällt es, in einer Welt zu altern, in der ab 25 alle Frauen irgendwie identisch ausschauen.
Uschi: Du weißt immer genau, wer bei einem Chirurgen war. Ja, es ist schon manchmal schwer, weil es so leicht ist, sich »helfen« zu lassen. Andererseits, sieh dir einmal Charlotte Rampling an. Sie ist jetzt eher der markante Frauentyp, aber man sieht sie immer noch in so vielen guten Filmen, und sie altert ganz natürlich. Das gibt mir dann
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