Expedition Mikro
Gespür! Du würdest doch mit dem erfolgreichen Abschluß deiner Arbeit ebenfalls die Berufungsqualifikation erwerben. Da wird mir manches klar!« Ev klopfte sich erregt mit der flachen Hand an die Stirn, als hätte sie soeben entdeckt, wie die Lichtgeschwindigkeit zu überbieten wäre.
»Das ist absurd«, sagte Res mit schwachem Protest, »schließlich leben wir im zweiundzwanzigsten Jahrhundert!«
»O ja.« Ev wurde bissig. »Wir morden und stehlen nicht, das Betrügen haben wir aufgegeben. Die Sexualkranken und die Kleptomanen sind durch eure famose Genbeeinflussung geheilt, ich weiß. Aber die Pille gegen übersteigerten Ehrgeiz, gegen Mißgunst, die fehlt noch. Und stell dir vor, es soll sogar noch Eifersucht und Gekränktsein und ähnliches existieren!«
Das letzte hatte Ev mit unverhohlenem humorigem Spott gesagt. Ihre etwas vollen Wangen hatten sich gerötet, und ihre Haare erschienen noch struppiger als am Anfang des Gespräches. »Das bringt sogar Gwen in Rage, wenn ich ihm das erzähle. Und du sitzt so ruhig da und nimmst das hin.«
»Ein wenig gewurmt hat es mich schon«, gab Res zu.
»Bist du auf Mexer angewiesen?«
»Im Augenblick schon. Nur, ich war mit meinem Thema bei den Gengrundlagen ohnehin nicht richtig aufgehoben. Die Genpraktiker sind allerdings noch ungenügend etabliert, außerdem ist mir doch der Mut ein wenig genommen. Ein anderes Institut, ich weiß nicht…«
»Mach das, laß den links liegen, sage ich dir.« Ev hob beteuernd die Hände.
»Ich würde ja eventuell auch aufgeben«, bemerkte Res ein wenig kleinlaut, »nur, ich bin überzeugt, daß ich erstens recht habe und zweitens das Thema, ohne daß ich mich loben will, eine überregionale Bedeutung hat.« Res sprach dann lauter. Sie gab sich gleichsam einen Ruck: »Stell dir vor, wir haben den Strom dieser Betonfresser, wie du sie nennst, eindämmen können. Wir halten ihn etwa fünfzig Meter breit. Nur von der Straße bekommen wir ihn nicht herunter, zumindest nicht ohne gewaltigen Aufwand. Wir haben sie vor ihm weggeräumt, versteh bitte, den kleinsten Krümel weggeräumt, er verläßt die Trasse nicht. Es ist, als spürte er den Staub noch auf, als witterte er, daß vor ihm die Stadt ist, in der er sich abermals sattfressen kann.«
»Und vernichten?« Evs Gesicht zeigte jetzt nicht mehr die Unbekümmertheit, die ihr sonst eigen war. »Letztens sprachst du davon, daß ihr mit Feuer und diesem – wie heißt das Zeug, das ihr aus den Unterlagen der alten Militärarchive gekramt habt…?«
»Napalm, ein übles Zeug, mit dem seinerzeit viel Leid über die Menschen gebracht worden ist«, bestätigte Res. Über ihr Gesicht ging ein Schatten.
»Ja, das meine ich«, sagte Ev.
»Ohne Erfolg – im Gegenteil.« Res winkte ab. »Sie kapselten sich ein, belebten sich später und vermehrten sich dann rasend, als sei etwas aufzuholen. Und da das zu verschiedenen Zeitpunkten geschah, gerieten sie uns beinahe außer Kontrolle. Es ist vorgekommen, daß weit hinten auf der Trasse, dort, wo wir dachten, es sei alles abgegrast, es gäbe für sie keine Lebensbedingungen mehr, sich ein Herd aktivierte und seitlich ausbrach.
Was blieb uns anderes übrig, als ihn mit List, indem wir entsprechende Nahrung streuten, wieder an die Hauptfront heranzuführen. Du machst dir keine Vorstellungen, welcher Aufwand dort getrieben wurde. Fahr- und Flugzeuge waren und sind ständig im Einsatz, der Effekt ist so gering… Aber ich bin überzeugt, sie vernichten zu wollen wäre Irrsinn. Unter Kontrolle bringen und untersuchen, auch wenn es noch mehr Lehrgeld kostet. Und dann den Erkenntnissen Nützliches für uns entnehmen. Es steckt gewiß eine Menge drin…«
»Also läßt sich nichts machen – nur eindämmen und kontrollieren. Und der Ursprung? Das war doch deine Strecke.«
»Ist sie noch«, sagte Res lächelnd. »Ich habe eine ganze Menge untersucht. Die Struktur der Zelle, ihr Fortpflanzungsmechanismus, die Fähigkeit der Anpassung und Resistenz, all das ist uns weitgehend bekannt. Und das habe ich in der Arbeit auch beschrieben. Aber wir haben das Befehlszentrum nicht und nicht den Ursprung. Das ist hypothetisch und genau das, was Mexer als spekulativ abtut. Alles andere zählt nicht. Aber ich bin überzeugt, daß die Hypothese stimmt, nur müssen wir anders herangehen, wenn wir sie beweisen wollen. Aber ohne Mexers Unterstützung wird es nichts werden – na, lassen wir das jetzt. Dabei kann er ganz sicher nicht ermessen, was es heißt, die
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