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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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um das Schlepptau des größeren Segeltuchsacks in Ordnung zu bringen, das die Wellen ständig auf Deck vertüderten.
    »Kontrolliert die Sicherheitsleinen - alle müssen eingepickt sein!«
    Dann konnte ich das festgeklemmte Steuerbordruder einige Zoll drehen, noch etwas und noch einige Zoll. Aber es half nichts. Die Sturmböen jagten das untere Liek des gewaltigen Segels mit schweren Schlägen gegen die Spitze des hochgebogenen Papyrusbugs. Wilde, ungehemmte Boxhiebe von rechts und links, dann hakte sich das Segel vor der dünnen Spitze fest und drehte den Papyrusbug nach Backbord um. Wasserkaskaden und Sturmböen krachten und brüllten, man verstand sein eigenes Wort nicht mehr.
    »Holt das Segel ein, ehe die ganze Schute auseinanderbricht«, rief ich.
    Jetzt kam es herunter, ruckweise.
    »Stop! Heißt das Segel wieder, ehe eine Welle es packt«, schrie Norman.
    »Wenn es ins Wasser fällt, kriegen wir es nie wieder an Bord«, brüllte Georges.
    Er hatte zweifelsohne recht. Unten war das ägyptische Segel nur fünf Meter breit, genau wie das Deck, aber oben maß es sieben Meter, wie die schwere Rahe, an der es hing; deswegen konnten wir das Segel unmöglich herunternehmen, ohne daß es bei diesem Wind und Seegang auf beiden Seiten von den Wellen erfaßt wurde.
    Die Lösung bot sich von selbst an. Das Segel wurde jeweils einige Zoll heruntergefiert, erreichte aber nie das Deck, weil unten fünf Mann festgebunden über die ganze Breite verteilt standen und es von unten aufrollten. Die ganze Zeit kämpften die fünf, um in den Windböen, beim Rollen und in den saugenden Wasserkaskaden nicht den Halt zu verlieren. Rucken und Schlagen an der Ruderpinne, mit der ich am Steuerbordruder kämpfte, ließen sie allmählich in ungleichmäßigen Sprüngen schwenken, aber auf den Kurs hatte es nicht den geringsten Einfluß. Die Männer am Segel hatten allmählich ein Drittel aufrollen können, und sie banden die Rolle sorgfältig mit einigen Tauenden zusammen, die nebeneinander am Segel hingen und zum Reffen bestimmt waren. Es war Zeit, das große lose Steuerblatt zu bergen, das noch wild im Schlepp tanzte und ständig von den Wellen mit voller Wucht gegen das Heck geschleudert wurde.
    Das Sicherungstau am Blatt war eine Kopie der ägyptischen Grabmalereien und half uns, das lose Blatt einzuholen. Der Schaft war genau am unteren Baum quer durchgebrochen. Auf der ganzen Länge 16 cm dick, wie ein normaler Telegrafenmast, und aus der kräftigsten Kiefer, war der von uns allen für unbesiegbar gehaltene Baumstamm wie ein Streichholz geknickt, ohne daß sich im Holz ein Fehler zeigte. Nicht ein einziger Papyrushalm war geknickt, gelöst oder beschädigt. Die Papyrusbündel hatten mehr nachgegeben als der Baumstamm; deswegen hatte Goliaths Stärke wieder einmal vor Davids Geschmeidigkeit kapitulieren müssen. Das Unglück lehrte uns, daß wir das Steuerruder oben und unten mit viel zu dicken Tauen befestigt hatten. Wir hätten dünnere verwenden sollen, dann wäre das Tau wie eine Sicherung vor dem Steuerschaft gerissen.
    Georges holte das schwere, völlig mit Entenmuscheln bewachsene Steuerblatt ein. Er schnitt ein Polster aus kurzen abgeschnittenen Papyrusenden ab, das Norman am Blatt befestigt hatte, um es an der Seite, an der wir den Schaft festgebunden hatten, strömungsgünstiger zu machen. Die mißhandelten Papyrusstückchen warf er in die Wellen und beobachtete erwartungsvoll, was geschehen würde. Sie sanken. Er erwähnte es den anderen gegenüber mit keinem Wort und ahnte immer noch nicht, daß noch jemand es von der Brücke beobachtete und ebenso perplex war und dasselbe Ziehen in der Magengrube bekam. Was war mit diesem Papyrus los? War die Luft vollständig aus ihm herausgepreßt? Juri und Carlo standen abgewandt daneben, sie waren vollauf damit beschäftigt, die Leine für den großen Treibanker zu ordnen. Schließlich ging er über Bord, und der kleine wurde eingeholt; nun drehte der Schleppsack das Heck langsam nach hinten. Aber nicht ganz. Wir blieben halbschräg liegen, und das Meer krachte in riesigen Brechern achtern quer gegen die Steuerbordseite, genau wie damals bei der Ra I .
    Das Unwetter tobte. Es war 10 Minuten vor 9 Uhr, und die Nacht brach über uns herein, ehe die Männer auf dem Vorderdeck das Großsegel zur Hälfte gerefft hatten. Das orangefarbene Sonnensymbol blieb halb aufgerollt wie ein Gespenst des Sonnenunterganges stehen, den wir wegen der Sturmwolken nicht sehen konnten. Wenn wir ihn gesehen

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