Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
wurstförmige Ballons orange und grün gefärbt, doch abertausende trieben tot zwischen den Ölklumpen umher, zusammengefallen und flach wie geplatzte Luftballons. Zwei Tage lang trieben wir in diesem Unrat, ehe wir davonsegelten. Der Unrat hielt denselben Kurs, schwamm nur etwas langsamer in Richtung Amerika. Später kam es auf der Fahrt vor, daß bei aufgepeitschter See faustgroße Klumpen an Bord gespült wurden und zurückblieben, wenn das Meerwasser durch die Papyrusstengel wie durch die Bärten eines Wals sickerte. Und die Ölpest war nicht die einzige Gabe des modernen Menschen an das Meer. Wenn wir Ausguck hielten, verging kaum ein Tag, ohne daß wir irgendeinen Plastikbehälter, eine Ölkanne, eine Flasche oder vergänglicheres Material wie Kistenbretter, Kork und anderen Abfall dicht an den Bündeln der Ra vorbei treiben sahen.
Wir waren 1725 Seemeilen vom Start entfernt und hatten noch 1525 Meilen vor uns, als wir zum zweiten Mal eine wirklich riesige Öllache erreichten. Am nächsten Tag kam starker Wind auf. Am übernächsten Tag, am 18. Juni, erhob sich das Meer zu den mächtigsten Wellen, die wir auf den Ra -Fahrten je erlebt hatten. Der Wind kam mit wilden Stößen, die volle Sturmstärke erreichten, während sich die Dünung wie parallele Hügelketten erhob, immer höher, ohne Verhältnis zur Windstärke. Vielleicht hatte im Nordosten, von wo sie kamen, ein heftiger Sturm gewütet. Zuerst war es spannend, dann verspürte wohl mancher ein wenig unterdrückte Angst, dann Erstaunen und dann eine unsichere Erleichterung darüber, wie gut wir es schafften; und zum Schluß Entspannung und Bewunderung für die meisterhafte Art, mit der unsere winzige Nußschale die turmhohen Wasserwände nahm. Ich stand allein auf der Brücke hinter der Hütte, hielt die Ohren steif und drehte das riesige Backbordruder, um die Seen direkt von hinten zu nehmen, während das Steuerbordruder solide festgezurrt war und als Schwert wirkte. Es war unglaublich, wie gut es ging, die sich brechenden Wellenreihen unterschieden sich deutlich von der Brandung in seichtem Wasser. Die tastenden Wellen holten uns genau von hinten ein, rollten unter den sichelförmigen Achtersteven und hoben uns hoch in die Luft, und dann brach gewöhnlich der Wellenkamm, und wir balancierten auf der Spitze, so daß wir mit Wind und Wasser nach vorn geschleudert wurden und in wilder Fahrt ritten, den Steert hoch und die Nase unten in dem tiefen, blaugrünen Wellental. Jetzt kam es darauf an, nicht beizudrehen.
»Sechs Meter, acht Meter.«
Die Männer schätzten in einer Mischung von Begeisterung und Grauen die Höhe der Wellenkämme.
»Zehn Meter, eben ragten die Wellenkämme über die Mastspitze.«
Zehn Meter. Madani kämpfte mit der Seekrankheit. Dichte Gewitterwolken, prasselnder Regen. Alles verlief routinemäßig und glatt. Es war unglaublich, wie spielend leicht die Ra II die wahnsinnigen Wellenreihen nahm. Nur ab und zu einen kleinen Spritzer auf Deck, nicht der Rede wert. Glücklicherweise kamen die Wellen gleichmäßig und mit genügend Abstand, genau ausreichend für die Länge und Form der Ra , und die Wellenrichtung blieb immer gleich, eins, zwei, drei, in Reih und Glied, nacheinander. Es war besser, sich nicht umzudrehen. Hinter uns sah es aus, als stürzte eine Glaswand hinter uns her, um uns zu begraben, während wir flüchteten, ohne entkommen zu können. Die anderen krochen der Reihe nach in die Hütte. Dort konnten sie auf das Korbdach starren und sich damit begnügen, den ohrenbetäubenden Lärm des aufgewühlten Meeres anzuhören. Nur Carlo, der Bergsteiger, blieb auf seinem Lieblingsplatz, dem hohen Papyrusbug, zurück und ließ die Beine wie von einem Pferderücken herunterbaumeln.
Ich fühlte erneut, daß wir himmelhoch gehoben wurden, noch höher als gewöhnlich, und mit der Wasserwand nach vorn hinunter rasten. Dann erhob sich derselbe Wellenrücken wieder glatt und weißgestreift vor uns, als er vorbeisauste.
»Das war höher als die Mastspitze«, brüllte Carlo begeistert und fletschte die weißen Zähne in seinem roten Vollbart.
Kurz danach hakte er sich vom Bug los und balancierte nach achtern, die Rettungsleine hinter sich herschleppend, um zu den anderen hineinzu-krauchen. Später erzählte er uns, daß sich unter dem Bug so tiefe Schluchten von Wellentälern aufgetan hatten, daß wir kopfüber in einem bodenlosen Wassergrab zu landen schienen, wenn sich die Ra neigte und hinunterraste. Es war besser, nicht
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