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Exponentialdrift - Exponentialdrift

Titel: Exponentialdrift - Exponentialdrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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erteilt das Mandat für den Einsatz der Afghanistan-Schutztruppe.
    22. Dezember 2001
Flugreisende und Besatzungsmitglieder einer Boeing 767 überwältigen auf dem Flug von Paris nach Miami einen Mann, der die Maschine mit Hilfe von in den Absätzen seiner Schuhe versteckten Sprengsätzen zum Absturz zu bringen versucht.

24. Dezember 2001
Am Funtensee im Berchtesgadener Land wird mit –45,9°C die tiefste Temperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland gemessen.
    26. Dezember 2001
Indien bringt an der Grenze zu Pakistan Mittelstreckenraketen in Stellung. Die Regierung in Neu-Delhi macht den pakistanischen Geheimdienst für den Anschlag auf das indische Parlament verantwortlich.

FOLGE 14
    M IT EINEM EHEMANN zusammenzuleben, der sich allen Ernstes für einen Außerirdischen hält, war erstaunlich unproblematisch.
    Die Vorweihnachtszeit verlief beinahe entspannt, abgesehen davon, daß Vorweihnachtszeit und Entspannung natürlich eigentlich grundsätzlich unvereinbare Begriffe sind. Von dem Augenblick an, in dem Bernhard das erkannt hatte, was er für die Wahrheit hielt, war jene Unruhe von ihm abgefallen, die ihn seit seinem Erwachen umgetrieben hatte. Er war freundlich, wenn Evelyn nach Hause kam, erledigte mehr oder weniger den ganzen Haushalt und spielte stundenlang mit seiner Tochter, letzteres mit einer kindlichen Hingabe, die ihm in seinem früheren Leben völlig abgegangen war. Theresa war glücklich, gar keine Frage.
    Das verblüffte Evelyn am meisten. Vor dem Schlaganfall war Bernhard anstrengend und in sich gekehrt gewesen, oft in Gedanken, meist um seine Arbeit kreisend, in seiner Tochter eher einen Störfaktor als eine Bereicherung seines Lebens sehend. Doch nun fragte Theresa ihn: »Wo liegt eigentlich Somalia?«, und er holte den Atlas hervor, zeigte es ihr, und danach gingen sie, beide neugierig, zum Lexikon, um herauszufinden, was es über das Land, das neuerdings durch die Fernsehnachrichten geisterte, alles zu wissen gab. Als der erste Schnee fiel (wann hatte es eigentlich das letzte Mal im Dezember so geschneit wie in diesem Jahr, in diesem verrückten, furchteinflößenden Jahr 2001?), stürmten Vater und Tochter morgens auf den Balkon hinaus, rafften die Schicht weißer Flocken auf der Brüstung zu unbeholfenenSchneebällen, bewarfen Autos und Fußgänger damit und lachten sich schief dabei.
    Einzig wenn er abends am Tisch saß und Zeitungen las, wirkte er wahrhaftig wie ein Gesandter von einem anderen Planeten, der die Verhältnisse auf der Erde und die Gepflogenheiten ihrer Bewohner studierte.
    »Ich spiele den Menschen Bernhard Abel lediglich«, erklärte er ihr eines Abends ernst. »Ich will, daß du dir dessen bewußt bist. Du hast keine Verpflichtungen mir gegenüber. Ich bin dir dankbar für alles, was du für mich getan hast, aber ich bin nicht der Mann, den du geheiratet hast. Ich bewohne nur seinen Körper, und ich nutze seine Erinnerungen – das, was davon noch übrig ist.«
    Was sagt man auf eine solche Eröffnung? Evelyn Abel sagte: »Ich verstehe.«
    »Worum ich dich bitten möchte, ist, mir noch eine Weile zu helfen«, fuhr der Mann fort, der aussah wie Bernhard Abel und es nicht zu sein behauptete. »Denn deine Spezies ist in ernster Gefahr, und ich wurde geschickt, um sie zu retten. Falls das möglich ist.«
    »Meine Spezies.«
    Er lächelte. »Hört sich seltsam an, nicht wahr?«
    »Ziemlich seltsam sogar«, nickte sie.
    »Und im Grunde glaubst du mir nicht.« Er sagte es ruhig. »Wenn du mir nämlich glauben würdest, würdest du fragen, wo genau ich herkomme, wie es dort aussieht und so weiter. Aber du denkst, es ist einfach eine Geistesverwirrung. Ein Spätschaden, den das Koma verursacht hat.«
    Das dachte Evelyn Abel tatsächlich. Deshalb nahm sie einen Tag frei (in der Vorweihnachtszeit! Ihrem Chef gegenüber behauptete sie, Zahnschmerzen zu haben, und ihre Kolleginnen in der Parfümerie schnitten sie die folgenden Tage), um Doktor Jürgen Röber in der Brückenkopfklinik aufzusuchen und ihm die Sachlage zu schildern.
    Der Neurologe, der ihren Mann jahrelang betreut hatte, wirkte nicht einmal überrascht. »Ich habe mir so was beinahe gedacht«, erklärte er zu Evelyns Verwunderung und zog ein Bild eines jungen Mannes mit kurzgeschorenem Haar und einer auffälligen Hautverfärbung am Hals hervor. »Kennen Sie diesen Mann?«
    Evelyn schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Er war am achten November hier, und nach dem, was Ihr Mann mir erzählt hat, am Tag darauf

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