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Exponentialdrift - Exponentialdrift

Titel: Exponentialdrift - Exponentialdrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sie seinen Vornamen erfahren.« Er erinnerte sichwirklich. »Und er war kein Kollege, er war mein Chef. Einer der beiden Firmengründer. Manchmal wollte er bei einer Systemübergabe dabei sein.«
    Sie hatten Steuerungsanlagen für wissenschaftliche Zwecke in alle Welt geliefert, für Genetiklabors, pharmazeutische Anlagen, Radioteleskope und so weiter, die genauesten ihrer Art, über eine als bahnbrechend geltende Schnittstelle mit Computern jeden Typs integrierbar und unschlagbar im Preis. Er hatte einmal alles über diese Geräte gewußt, war einer der weltweit führenden Experten für Steuerungsprobleme in Extrembereichen gewesen, und nun wußte er gar nichts mehr. Er hatte bis zu diesem Moment nicht einmal einen Gedanken darauf verwendet, ob seine alte Firma überhaupt noch existierte.
    Evelyn wußte es auch nicht. »Sie haben sich um dich gekümmert, das halbe Jahr in der ersten Klinik bezahlt«, erzählte sie. »Dann hatten sie finanzielle Schwierigkeiten, wie viele Firmen damals. Ich mußte dich verlegen lassen, und von da an habe ich nichts mehr von ihnen gehört.«
    Bernhard Abel erinnerte sich, daß Lehmann auf seinem letzten Flug dabeigewesen war, jenem, der mit dem Schlaganfall geendet hatte. Vor dem Start hatten sie, wie immer, im Restaurant des World Trade Centers gegessen. »Yves hat von einer Formel erzählt, warte mal ... Die Drake-Formel . Ich weiß gar nicht, was das ist. Dabei schien es furchtbar wichtig. Drake-Formel. Klingt wie ... Nemezirs Berechnung. Wie Exponentialdrift . Irgendwie beeindruckend, aber man hat keine Ahnung, was gemeint –«
    Noch während des Sprechens hatte er ein Zunehmen der Geschwindigkeit gespürt, mit der das, was immer es war, in ihm aufstieg, eine Bugwelle vor sich herschiebend, die den See, der sein Bewußtsein war, aufkochen ließ. Jetzt! dachte er, nur ohne Worte, und mußte innehalten, als es zur Oberfläche durchbrach, hatte keinen Atem mehr, keinenHerzschlag für Augenblicke, als sich offenbarte, was in ihm geruht und auf diesen Moment gewartet hatte.
    »Bernhard!« Er sah das Gesicht der Frau vor sich, die Evelyn Abel hieß. Es trug einen Ausdruck des Entsetzens. Der Fernseher war aus. »Was ist?!«
    »Ich weiß jetzt«, sagte er, »wer ich in Wirklichkeit bin.«
    Fortsetzung folgt ...

12. Dezember 2001
Bundesinnenminister Otto Schily verbietet unter Anwendung der neuen Anti-Terror-Gesetze erstmals einen islamistischen Verein, die Vereinigung »Kalifatstaat«.
    13. Dezember 2001
Der amerikanische Präsident George W. Bush kündigt den seit 1972 geltenden ABM-Vertrag, in dem sich die USA und die damalige Sowjetunion unter anderem dazu verpflichtet hatten, keine Raketenabwehrsysteme aufzubauen.
    13. Dezember 2001
Indische Polizei vereitelt einen Anschlag mutmaßlicher Muslim-Extremisten auf das Parlament in Neu-Delhi. 14 Menschen werden getötet, darunter die 5 aus Pakistan stammenden Attentäter. Der Vorfall belastet die wegen des Kaschmir-Konflikts angespannten indisch-pakistanischen Beziehungen schwer.

FOLGE 12
    Z UR ABWECHSLUNG KOMME ich mal zu dir«, hatte Jürgen Röber seiner Freundin gesagt. Und so saß er wenige Tage später, nachdem alle Termine ausgemacht waren, im ICE-Sprinter nach Berlin. Sie holte ihn am Bahnhof Friedrichstraße ab, weltstädtisch-mondän gestylt und etwas kühl. »Mitten in der Woche? Einfach so? Man könnte auf die Idee kommen, du willst kontrollieren, was ich so mache.« Erst als er ihr erzählte, daß er seinen alten Doktorvater besuchen würde, entspannte sie sich, und es wurde noch ein schöner Abend.
    Seine alma mater am nächsten Vormittag wiederzusehen war wie eine Zeitreise. Nichts schien sich geändert zu haben in den zehn Jahren, die vergangen waren, seit er das letzte Mal hiergewesen war. Dieselben grauen Mauern, dieselben stumpfen Fenster, dieselbe Art Anschläge und Bekanntmachungen an den Schwarzen Brettern. In den kahlen Gängen roch und klang es immer noch wie zu seinen Studentenzeiten. Der Fahrstuhl in den vierten Stock war immer noch eng, der Flur oben wartete immer noch vergebens, frisch gestrichen zu werden, nur der Gummibaum vor dem Sekretariat war deutlich gewachsen. Immerhin.
    Professor Schmidt sei noch in einer Besprechung, sagte die Institutssekretärin. Die war neu, ein junges, mageres Mädchen mit blau gefärbten Haaren. Sie wies auf zwei Ledersessel in einer Ecke des Büros, ebenfalls neu. Ob er bitte so freundlich sein wolle, zu warten? »Ich kann Ihnen einen Kaffee machen. Ich bin zwar erst seit

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