Exponentialdrift - Exponentialdrift
geringste zu tun hatten. Wie er offenbarte, daß er den Zugang zu dem System, das sie in mühevoller Arbeit aufgebaut hatten, mit einem Paßwort gesichert hatte, das nur er kannte.
»Was wollen Sie? Geld?« hatte Yves schließlich gefragt, nach einem, wie es ihm vorkam, endlos langen Moment des Entsetzens.
In der Rückschau kam ihm Abels Reaktion darauf unsinnig heftig vor. Zum ersten Mal fragte er sich, was Abel eigentlich gefunden zu haben geglaubt hatte.
»Wollen Sie mich beleidigen? Denken Sie, ich merke nicht, vor was für einer gigantischen Sache ich da stehe? Ja, allerdings, Sie werden zahlen – vor allem aber dafür, daß Sie mich für einen Idioten halten!«
Merkwürdig. Was für eine Theorie mochte Abel gehabt haben? Von ihrem Plan konnte er nichts geahnt haben, sonst hätte er während des vorangegangenen Gesprächs, das sich um die Wahrscheinlichkeit von Leben im All gedreht hatte, zweifellos entsprechende Bemerkungen gemacht.
Und er hatte irrwitzig angespannt gewirkt. Ein Druckkochtopf kurz vor der Explosion. Vielleicht war es diese Anspannung gewesen, die auf dem Rückflug seinen Schlaganfall ausgelöst und damit die Katastrophe perfekt gemacht hatte.
»Was, glaubst du, wird passieren?« fragte Lutz unvermittelt.
»Was?« schreckte Yves aus seinen Erinnerungen hoch. »Was passiert?«
Lutz seufzte. »Na, was wohl? Unser Signal. Die Botschaft der Außerirdischen. Wie lange wird es dauern, bis es in den Zeitungen steht? Wir könnten Wetten darauf abschließen.« Er warf einen Blick auf den Zeitungsstapel neben der Couch.Obenauf lag ein Bericht über den Test einer pakistanischen Mittelstreckenrakete. »Vielleicht hält es ja Indien und Pakistan davon ab, den ersten Atomkrieg der Geschichte zu führen.«
Yves Lehmann sah seinen alten Schulfreund und langjährigen Geschäftspartner an, und plötzlich kam ihm die ganze Tollkühnheit ihres Plans zu Bewußtsein. Ihm wurde richtiggehend schlecht. Er ließ den Kopf zurücksinken, schloß die Augen und spürte, wie ihm feiner Schweiß ausbrach. Und nur noch zwei Tage! Am Montag begann es, unwiderruflich.
Wenn sie nur keinen Fehler gemacht hatten!
»Meine Güte, Lutz«, flüsterte er. »Ich hoffe bloß, das klappt auch wirklich.«
Fortsetzung folgt ...
4. Juni 2002
Die britische Königin Elisabeth II. feiert ihr 50jähriges Thronjubiläum mit einer Fahrt in ihrer goldenen Kutsche durch London.
6. Juni 2002
Im Streit um antisemitische Äußerungen entschuldigt sich der FDP-Vize Jürgen Möllemann bei den Juden in Deutschland, nimmt jedoch den Vizepräsidenten des Zentralrats, Michel Friedmann, ausdrücklich aus.
8. Juni 2002
In Kassel wird die »documenta« eröffnet.
FOLGE 37
A M MONTAG, DEM 3. Juni 2002, um 17 Uhr 26 erhielt Peter Eisenhardt einen Anruf von Lutz Feidler. »Arecibo hat gerade in die richtige Richtung geschaut. Es läuft.« Damit legte er auf.
In den Nachrichten ging es um die FDP, die mit Möllemann rang, um Nitrofen verseuchten Futterweizen und die angekündigten Warnstreiks bei der Post.
Die vier Verschwörer zweifelten nicht daran, daß sich das in den kommenden Tagen drastisch ändern würde.
Am Dienstag, dem 4. Juni, kam ein hastiger Rundruf von Wolfgang Krentz. »Arecibo hat Jodrell Bank gestern abend gegen 18 Uhr MEZ kontaktiert. Eine Verifikationsanfrage. Leider konnte ich nicht herausfinden, worum genau es ging.«
»Unnötig«, war Lutz Feidlers Kommentar. »Wir ahnen es.«
Die Nachrichten handelten weiterhin von Gift in Öko-Weizen und von der fortschreitenden Selbstdemontage der FDP.
»Es ist noch zu früh«, versicherten die vier Freunde einander.
Am Mittwoch, dem 5. Juni, berichteten die Nachrichten von einer Autobombe, die im israelischen Megiddo 17 Menschen tötete, und davon, daß FDP-Parteichef Westerwelle seinemVize Möllemann ein Ultimatum gestellt hatte. Kein Wort über ein Signal von den Sternen.
Auch kein Wort immerhin, daß man einem entsprechenden Hoax auf die Schliche gekommen sei. »Selbst wenn, könnte das niemand zu uns zurückverfolgen«, beruhigte Lutz seine nervösen Kompagnons. »Die Signaldaten sind eingespeist worden, danach hat sich die gesamte Software dafür selber gelöscht. Und gelöschte Daten hinterlassen keine Spuren.«
Am Nachmittag beherrschte das WM-Spiel Deutschland gegen Irland die Medien, vor allem das irische Ausgleichstor in letzter Sekunde. Vermutlich wäre in diesem Moment selbst die Landung einer fliegenden Untertasse auf dem Rasen des Weißen Hauses unerwähnt
Weitere Kostenlose Bücher