Exponentialdrift - Exponentialdrift
geblieben.
»Es kann doch nicht sein, daß niemand es schafft, das Signal zu entschlüsseln?« rätselte Eisenhardt.
Am Donnerstag, dem 6. Juni, lenkte Möllemann ein, weitete sich der Nitrofen-Skandal aus und begann die israelische Armee eine Vergeltungsaktion.
»Wißt ihr, mit welcher spannenden Frage das Arecibo-Teleskop sich zur Zeit beschäftigt? Ob bestimmte Spektralveränderungen bei Pulsaren von der Wellenlänge abhängig sind«, informierte Wolfgang Krentz seine Mitverschwörer. »Keine Rede von einer außerirdischen Botschaft. Auch bei SETI weiß man von nichts.«
»Lutz, bist du sicher, daß das Signal überhaupt gesendet wurde?« wollte Eisenhardt wissen.
»Absolut«, war die Antwort.
»Kannst du es noch mal starten?«
»Natürlich nicht. Wie gesagt, die Software hat sich danach gelöscht.«
»Irgend was ist schiefgegangen«, meinte Yves Lehmann.Am Dienstag kam Bernhard Abel mit der Neuigkeit nach Hause, er habe mit einer Internetrecherche in der Stadtbücherei und einigen Telefonaten Armin Pallens ausfindig gemacht. Der geheimnisvolle Besucher von letztem November wohne in der Nähe von Bremen. »Ich habe mir eine Zugkarte besorgt«, erklärte er. »Morgen fahre ich los.«
Und so tat er es. Kurz nachdem er das Haus mit nichts als einer kleinen Reisetasche verlassen hatte, fand Evelyn ungeachtet der angekündigten Poststreiks einen unförmigen Brief von der Klinik im Briefkasten. Sie riß ihn verwundert auf und zog ein unsäglich nach Keller und uraltem Schweiß miefendes, grauweißes Stück Stoff daraus hervor. Was um alles in der Welt war das?
Dann entdeckte sie Bernhards Monogramm und begriff, daß dies das Hemd war, das er damals getragen hatte, im Mai 1998, auf dem Rückflug aus den USA, als ihn kurz vor der Landung ein Schlaganfall getroffen und für Jahre ins Koma geworfen hatte. In der Klinik hatte sie einen Sack mit seinen Sachen in Empfang genommen, zusammen mit der Entschuldigung, sein Hemd sei leider verlorengegangen. Das war ihr damals so was von egal gewesen, daß sie bis zu diesem Augenblick nicht mehr daran gedacht hatte.
Und nun hatte es sich wieder eingefunden. Ihr kamen fast die Tränen. Mit dem Auszug aus dem Haus hatte sie Bernhards Garderobe weggegeben, und das war damals ein Stück Abschied von der Vorstellung gewesen, er würde je wieder aufwachen. Sie würde versuchen, wenigstens dieses eine Hemd wieder sauber zu bekommen. Vielleicht, wenn sie es einweichte, ein paar Tage lang, und dann in die Maschine gab ...
Sie entdeckte einen Fleck in einer der Ärmelmanschetten. Nein, kein Fleck. Eine seltsame Buchstabenfolge, die sich las wie Ko-airin , hastig mit Kugelschreiber geschrieben.
Es war eindeutig Bernhards Schrift, aber nicht seine Art.Er hatte zwar immer mindestens einen Stift in der Brusttasche stecken gehabt, doch Notizen auf Hemdmanschetten zu schreiben wäre ihm nie eingefallen.
Außer ... Evelyn starrte die krakeligen Buchstaben an und sah ihn plötzlich, Bernhard, wie er sich im Flugzeug, von einer plötzlichen Ahnung nahen Unheils befallen, zusammenkrümmte, die Manschette aufknöpfte, um mit letzter Kraft eine letzte, eminent wichtige Information vor dem Vergessen zu bewahren.
Und ihr fiel wieder ein, was Wolfgang ihr über das Paßwort erzählt hatte, nach dem sie so verzweifelt gesucht hatten.
Fortsetzung folgt ...
13. Juni 2002
Die Loya Dschirga, die traditionelle afghanische Ratsversammlung, wählt den Übergangspremier Hamid Karzai zum Präsidenten des Landes.
FOLGE 38
D IE ANSTRENGUNGEN IHRES Lebens hatten darin gegipfelt, den Radioteleskopen auf der ganzen Welt Daten unterzuschieben, die diese unweigerlich als Signal außerirdischer Wesen hätten interpretieren müssen. Feindselig gesinnter außerirdischer Wesen, wohlgemerkt. Die Folgen dessen hätten epochal sein und eine Wende im menschlichen Denken von wenigstens kopernikanischen Ausmaßen nach sich ziehen sollen.
Doch es hatte nicht funktioniert. Zwar waren die Daten gesendet worden, aber niemand hatte das Signal empfangen.
Wolfgang Krentz ahnte, was schiefgelaufen war. Es gab keine andere Erklärung. Nur Bernhard Abel konnte es ein zweites Mal fertiggebracht haben, ihr Projekt zu sabotieren.
Er hatte den anderen verschwiegen, daß Abel ihn vor ein paar Wochen aufgesucht hatte. Natürlich, denn sonst hätte er auch gestehen müssen, daß er ihren Plan an dessen Frau verraten hatte in dem wahnsinnigen Versuch, sie doch noch für sich zu gewinnen.
Er war gerade im Begriff, sich dazu
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