Extraleben - Trilogie
Lautstärke.
»Die coolste Silo-Story ist Anfang der Nuller passiert. Da haben sich zwei Alt-Hippies aus San Fran eine Abschussbasis in Kansas gekauft, um da unten fabrikmäßig LSD herzustellen. Damit Besucher nicht misstrauisch werden, ließen sie zur Tarnung ein paar Maschinen laufen, aus denen kleine Metallfedern rauskamen, weißt du, solche wie im Kugelschreiber drin. Na, irgendwann kam den Einheimischen die Sache trotzdem verdächtig vor, vor allem, weil die Freaks alles hochsicherheitsmäßig abgeschirmt hatten. Also riefen sie erst die Cops, später marschierten dann die Drogenbullen von der Drug Enforcement Agency rein und haben alles abtransportiert - achtzehn Umzugswagen.«
Stolzer Seitenblick. Ja, hast du dir alles schön gemerkt, Alter. Und weiter geht's im Vortrag.
»...Nach der Razzia ist der LSD-Marktrund um die amerikanischen Unis wohl völlig zusammengebrochen. Im Silo sollen Chemikalien rumgelegen haben, um Stoff im Straßenwert von 160 Millionen Dollar zu produzieren. Richtig bizarr muss der Prozess gegen die Typen gewesen sein, voller seltsamer Eso-Freaks als Zeugen und verschwundener Beweismittel. Ein Mitangeklagter zum Beispiel hat sich seine Anwaltsrechnung von Paul Simon und Sting bezahlen lassen - weil er die kannte.«
Nick hat beim Hölzchen angefangen, ruht sich kurz auf dem Stöckchen aus und wird nicht aufhören, bis er beim Zellulosemolekül angekommen ist - darauf ist Verlass. Da er absolut keine Antennen dafür hat, ob sein Gesprächspartner - oder besser: Gesprächsempfänger - zuhört oder nicht, kann man die nächsten zehn Minuten getrost abschalten; ab und zu nicken reicht. Also marschiere ich stumm neben ihm den Flur runter, während er weiter schwadroniert.
»... wusstest du eigentlich, dass es nie ein rotes Telefon zwischen Moskau und Washington gab? Ist eine totale Legende, Reagan konnte niemals direkt mit Breschnew sprechen! Es gab keine Telefone, sondern nur zwei Siemens-Fernschreiber, die über das erste Unterseekabel. die Transatlantic Number One, verbunden waren. Die Regierungen vertrauten nur auf das geschriebene Wort, weil die Experten annahmen, dass zwischengeschaltete Simultanübersetzer eventuell Missverständnisse produzieren könnten - und dann: Boom!«
Theatralisches Hände-Auseinanderreißen.
»Der heiße Draht wurde übrigens mehrfach aus Versehen durchtrennt, von einem dänischen Bulldozer in der Nähe von Kopenhagen zum Beispiel, oder von ...«
Fast ein Uhr. Wenn Andie gerade in der Jeppesen-Zentrale in Kalifornien arbeitet, macht sie jetzt Mittagspause - vorausgesetzt, dieser komische Typ vertritt sie nicht noch immer. Mit ihr Mittagspause zu machen war immer eine freudlose Angelegenheit: Sie gehört zu den Frauen, für die Essen bedeutet, leicht proteinhaltige Luft einzuatmen. Eine Scheibe Truthahnbrust auf Baguette, danach ein Café Latte mit fettfreier Milch, mehr hat sie nie gegessen. Na, es scheint ja zu funktionieren, sonst wäre sie ja nicht so schlank. Sabina dagegen haut immer ordentlich rein, das volle Programm, Schnitzel mit Jägersoße und so. Das kann noch lustig werden, wenn sie Nick erstmal regelmäßig bekocht - der mit seinem empfindlichen Magen.
»... als Kennedy erschossen wurde, kamen die Fernschreiber erstmals zum Einsatz. Washington setzte Moskau über den Vorgang in Kenntnis. In den Siebzigern wurde das Seekabel dann durch vier Satelliten ersetzt, zwei amerikanische und zwei russische. Über den so genannten Molink konnten die Staatschefs sich dann auch Faxe zuschicken ...«
Eigentlich hat Andie ihren göttlichen Status durch nichts verdient - außer vielleicht durch diesen engen Hosenanzug, besser gesagt: durch die Hose von dem Hosenanzug, noch besser gesagt: durch die Art, wie die Hose bei ihr sitzt. Echt gut eben. Aber davon abgesehen ist sie furchtbar langweilig, weil sie eigentlich eine ignorante Ami-Bratze ist. Essen, Musik, Filme - sie hat von nichts eine Ahnung, und schon gar nicht, wenn die Sachen sich - Schock! - außerhalb der Staaten abspielen. Als sie zum Beispiel hörte, dass wir aus Deutschland kommen, hat sie uns als Erstes total ernst gefragt, ob wir einen VW Jetta fahren, und direkt eine ihrer Endlos-Storys hinterhergeschoben. Das sei ja an ihrem College das angesagte Auto schlechthin gewesen, so was von cool und, like, awesome. Alle Quarterbacks - unsere Interpretation - hätten so einen gefahren. Als wir ihr dann offenbarten, dass sich in Deutschland niemand unter Siebzig in so eine Kiste setzt, hat sie es
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