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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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CNN jedenfalls meldet aktuell keinen IT-Großbrand, bei dem er mitlöschen könnte. Damit sind meine Optionen aufgebraucht: Nick ist entführt worden, Andie weiß nichts, John kann mir nicht helfen, Shaun hasst uns. Ich muss die Suche nach Mister Spock also selbst starten. WELCOME TO DATACORP.
    Die weißen Fixedsys-Buchstaben strecken sich über den Bildschirm aus, darunter wartet der Cursor geduldig blinkend auf mein Passwort. Früher wirkte die Eingabezeile wie eine Verheißung, wie die Einladung zu einem neuen Leben. Mittlerweile hat sie etwas Bedrohliches. Ich tippe unser neues persönliches Passwort ein, das sich Nick letzte Woche ausgedacht hat:
    SETEC ASTRONOMY
    Nein, wirklich sicher ist es nicht, jeder Cracker mit einem Funken Geschichtsbewusstsein würde das als Erstes ausprobieren. Aber manchmal schlägt Nostalgie eben Security. Apropos: Am Anfang dachten wir ja immer, bei der Datacorp säßen die totalen Sicherheitsprofis. Mein Gott, was haben die für einen Zauber veranstaltet, als wir da angefangen haben. Wirklich jede Flaschendreh-Knutscherei aus den letzten zwanzig Jahren mussten wir beichten, jeden Bekannten mit Namen und Anschrift angeben, jeden Besuch im Land der Gar-nicht-mal-so-Freien rechtfertigen. Why did you visit the US in 1999? Wir haben uns drauf geeinigt, statt den Ausflug zum Area 51 lieber Angeln in Montana anzugeben. Und so ging das weiter: Nehmen Sie Drogen? Haben Sie Schulden? Klar, die wollen keine Leute an Bord haben, die erpressbar sind, aber es wurde so tief gebohrt, dass es schon weh tat. Was die Sicherheitsregel in puncto Frauen ist, hat uns ein Kollege später mal gesteckt: »Everything's fine as long as you fuck NATO.«
    Solange die Gute aus dem Bündnisraum kommt, ist alles roger. In letzter Zeit haben wir allerdings gemerkt, dass das alles nur Show war und die Datacorp auf Sicherheit pfeift, wenn man erst mal im Club drin ist. Ich sitze auf dem Balkon des Dorint, wobei »Balkon« vielleicht etwas zu hoch gegriffen wäre. Es ist ein Quadratmeter Kachelboden mit Geländer drum herum. Aber wenn man direkt vor dem Erwachsenen-Klappstuhl aus Teak eine leere Becks-Kiste als Fußbank positioniert, sitzt es sich echt bequem auf dem Balkon. Für Menschen, die von ihrer Umwelt außer dem nächsten Bildschirm etwas wahrnehmen - Frauen zum Beispiel-, wäre es trotzdem nichts. Schon zehn Uhr und trotzdem noch T-Shirt-Wetter, besser geht's eigentlich nicht. Normalerweise würden wir jetzt bei Nick auf dem frisch gemähten Rasen sitzen und uns von Sabina ein Bier bringen lassen. Dass sie uns bedienen würde, hätte dabei nichts mit Machotum zu tun, sondern wäre schlicht und ergreifend nötig, weil sich Nick, der stolze Häuslebesitzer, nach einem Wochenende voller Gartenmaloche nicht mehr bewegen, ergo auch kein Bier holen könnte. Wir würden in den Liegestühlen lümmeln und uns wie Waldorf und Statler über die Jugend von heute aufregen, das heißt, vor allem Nick würde sich aufregen und in eine seiner endlosen Predigten verfallen, so was in die Richtung: »Die Kids von heute haben einfach kein Gefühl mehr dafür, wie wertvoll Speicher ist! Die verschwenden für den kleinsten Scheiß ein Gigabyte. Aber wir, ja wir wussten RAM noch zu schätzen. Beim C64, da war Speicher so knapp, dass wir die Befehle JSR und RTS in einer verschachtelten Subroutine durch JHP ersetzt haben, weil man dadurch ein Byte sparen konnte. Ein Byte, dafür haben wir noch gekämpft!«
    Ich würde »Genau!« sagen, obwohl ich kein Wort verstanden habe, und hoffen, dass Opa bald aufhört, davon zu schwadronieren, wie viele Groschen ein Kilo Kartoffeln früher gekostet hat. Stimmt schon, diese degenerierten jungen Menschen haben einfach keine Ahnung. Zum Beispiel die im dritten Stock des Dorint: Lassen mitten in der Woche einfach wieder eine Party steigen. Nach dem Lärmpegel zu urteilen, lungert die halbe Truppe draußen auf dem Balkon rum. Amorphes Indie-Geklampfe dröhnt runter, garniert mit einigen Fetzen typischem Ersti-Gewäsch, das übliche Gejammer über »total harte Klausuren« et cetera. Über der verkehrsberuhigten Straße liegt der typische Duft eines Sommerabends. Es riecht nach diesem roten marinierten Asi-Fleisch, von dem selbst fünf Kilo weniger kosten als die Grillkohle, und das niemand unter 25 Grad Außentemperatur anrühren würde. Von oben zieht die unvermeidliche Dope-Wolke runter. Ich spüle den letzten Bissen von dem Döner runter, den ich mir beim türkisch-chinesischen Pizzadienst um die

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