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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Strahlen gemütlich über mein »I want to believe« -Poster. Das hat Nick mir auf dem Höhepunkt des »Akte X« - Hypes mal besorgt und ich lasse es weiter über meinem Futon hängen - nur aus schlechtem Gewissen, weil ich ihm nie was schenke. I want to believe. Ich will glauben. Zum Beispiel, dass sich hier hin nochmal eine Frau verirrt. Aber selbst wenn, würde sie sich spätestens bei diesem Poster wahrscheinlich wieder umdrehen.
    »Das Dorint«, so nennt der Beifahrer immer meine Bude, weil draußen auf dem Gang so dunkelroter Hotel-Teppichboden verlegt ist. Im dritten Semester hat er mir geholfen, meine Möbel von meinen Eltern hierher zu bringen. Die habe ich dann in der Wohnung exakt genauso wieder aufgebaut wie in meinem Jugendzimmer: Links in der Ecke die Stereoanlage, daneben der Ikea-Nachttisch, im Bücherregal die kompletten Jahrgänge von »Aktueller Software Markt«.
    Während der Nuller kamen ein paar pseudostylishe Möbel dazu, die mir retromäßig noch vertretbar erschienen, der unvermeidliche Panton-Stuhl zum Beispiel. Alles musste vintage sein, klar. Wobei mal ein kluger Mensch gesagt hat, dass Leute, die sich ihre Bude ausschließlich mit Vintage-Kram vollstellen, eigentlich nur Angst vor ihrem eigenen Geschmack haben. Wie dem auch sei. Jedenfalls ist es immer noch mein Jugendzimmer, nur dass ich es jetzt mit einer dünnen Tarnschicht Erwachsenheit überzogen habe. Ach was: Die Datacorp hat Nick bestimmt abgeholt und in die Staaten geschafft. Und es gibt nur einen Weg, das herauszufinden. Ich trotte zum Kühlschrank rüber und ziehe ein Mut-Corona raus. Es ist Zeit, Kontakt zum Olymp aufzunehmen.
    »Hi guys!«, trällert Andie. REM 1: Obwohl sie auch schon lange die Dreißig hinter sich gelassen hat, klingt sie bisweilen immer noch wie ein Teeniemädchen in den Nullern, die gerade ihr erstes Video bei MySpace hochgeladen hat - mit diesem »Haaaaaiigaaaaisss«, gefolgt von schrillem Kichern. REM 2: Andie hat definitiv noch nichts von Johns Unfall gehört, sonst wäre ihre Laune nicht so glänzend. REM 3: Sie spricht mich schon im Plural an, was bedeutet, dass Nick und ich es mit unserer kleinen Bromance in der Vergangenheit etwas übertrieben haben. Höchste Zeit für eine Klarstellung.
    »Hi Andrea, it's just me.«
    Oh Gott, warum klingt man auf Englisch immer so dämlich?
    »Oh, hi«, flötet sie in ihr Telefon, wieder mit einem breitgekauten »haaaiiii«.
    Wie komme ich jetzt dezent zur Sache, was heißt Flugbuchung nochmal auf Englisch? Zu spät, Andie schnattert schon los.
    »You know what? I'm just picking up my breakfast at Ambrosia!«
    So hieß der Coffeeshop in San Jose, wo wir damals immer rumgehangen haben, während des Einsteigerseminars, das uns die Datacorp spendiert hatte. Das Ambrosia ist einer dieser Läden, die sich furchtbar europäisch vorkommen, nur weil die Truthahn-Wurst auch auf Baguettebrot serviert wird und die Toilette stinkt. Ins Ambrosia sind wir immer in den Seminarpausen rübergegangen. Es war herrlich, mit anzuhören, wie sie an der Theke ihre Bestellung runterratterte. Oder besser gesagt: ihre Nicht-Bestellung. Denn ihre Order bestand aus einer langen Aufzählung von Dingen, die sie nicht auf ihrem Sandwich haben wollte: keine Majo, kein Ketchup, kein Käse, nicht mal potenziell fetthaltige Sesamkörner auf dem Brot. Damit habe ich sie immer aufgezogen, war sozusagen unser Running Gag. Dann hat sie immer gelacht, und den Kopf so weit nach hinten gelegt, dass ihre schwarzen Locken fast unten am Hohlkreuz anstießen. Dabei sah sie original wie Andie McDowell aus, was allein namensmäßig ja exzellent passt, allerdings findet der Beifahrer, dass sie vom Gesicht her eher Sean Young ähnelt, also Rachael aus »Bladerunner«, plus einem guten Schuss Prinzessin Leia. Alle Schlüsselreize also bedient. Man muss echt aufpassen, was man Jungs zwischen elf und fünfzehn so medial vorsetzt. Jedenfalls war da was. Natürlich nicht so richtig. Die Beziehung zwischen ihr und mir lief auf dem gleichen Niveau ab wie alle meine Beziehungen: Die Affäre war eingebildet - aber ausbaufähig. Vielleicht sollte ich sie echt mal in Kalifornien besuchen und einfach auf den Ausländer-Bonus hoffen. Hört man doch immer wieder, dass irgendwelche Nerds in Übersee den totalen Volltreffer landen, ganz einfach, weil die Sprachbarriere ihre Nerdyness schluckt. Die Ladys merken einfach nicht, mit wem sie es in echt zu tun haben. Und wenn sich herausstellt, dass mit den »Kumpels«, von denen er

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