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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Ecke geholt habe, und versuche, mich auf den Bildschirm zu konzentrieren. Bizarr. Der Abstand zwischen mir im ersten und den Studis im dritten Stock könnte nicht größer sein. Die machen Party und ich fahnde nach einem Menschen, den ein globaler Megakonzern verschluckt hat. Immerhin werde ich dafür den Balkon des Dorint nicht verlassen müssen, wenn alles glatt läuft. Der Wendepunkt kam nach unserem letzten Einsatz oben in Washington. Er endete damit, dass uns ein lieber Kollege seine Glock an den Kopf gehalten hat. Danach musste sogar der Beifahrer eingestehen, dass das Verhältnis zu unserem Arbeitgeber ein wenig zerrüttet war. Selbst seine Nibelungentreue war aufgebraucht. Seitdem bespitzelt er die Company mindestens so gründlich, wie er vorher Johns Befehle ausgeführt hat - auch wieder typisch deutsch. Letztens haben wir uns einen Spaß daraus gemacht, im Datacorp Secure Network ein bisschen rumzustochern, und fanden dabei raus, dass das Firmennetz nicht halb so secure war, wie es dem Namen nach klingt. Und genau das, was wir damals gemacht haben, werde ich jetzt einfach wiederholen. Es wird Zeit, ein weiteres Mal hinter die Mauern zu schauen. Es wird Zeit für den Kamera-Hack - wobei »Hack« vielleicht ein bisschen hoch gegriffen ist. Die Sache ist ganz simpel: Uns ist gleich von Anfang an aufgefallen, dass bei der Datacorp überall Überwachungskameras hängen, egal, wo man hingeht, sogar im Flur vorm Seminarraum. Liegt vermutlich an den krassen Immobilien, in die die Company zum Teil eingezogen ist - ehemalige Konsulate, Bunker, Radarstationen und so weiter. Die wurden in den Achtzigern und Neunzigern billig der amerikanischen Regierung abgekauft, offiziell, um da Data-Center unterzubringen. Ob's stimmt - wer weiß? Solche Perimeter - ein göttliches Wort! -werden natürlich von Natur aus gut überwacht, obwohl das einen Mordsaufwand bedeutet: Um alles mit analogen Überwachungskameras abzudecken, musste man früher kilometerlange RG-59 -Kabel durch die Landschaft verlegen, und zwar von jeder Kamera zu einem zentralen Videorekorder. Deshalb hat die Datacorp vor ein paar Jahren moderne Kameras angeschafft. Da braucht man nur noch ein einziges Kabel, um die Bilder an einen Zentralrechner zu übertragen. Und damit nicht ständig jemand vor Ort sitzen und auf den Monitor starren muss, hängen die Kameras am Firmennetzwerk. Das bedeutet allerdings auch: Jeder kann bei der Peep Show dabei sein, wenn er nur weiß, wo er suchen muss. Alles, was man braucht, ist die Netzwerkadresse der Kamera. Und genau an diesem Punkt waren die lieben Kollegen von der Konzernsicherheit nicht auf der Höhe: Sie haben die Kamera im Netzwerk miserabel versteckt. Alle Seiten der Videokameras im Netzwerk bekommen nämlich vom Hersteller immer so voreingestellte Titel - meistens der Modellname und dazu ein generisches Blabla wie »Live View«.
    Genau diesen Default haben die Jungs nicht verändert, und das bedeutet: Wir mussten zum Beispiel im Datacorp-Netz nur nach »intitle: Axis206M + Live View« suchen und voila: Alle Überwachungskameras vom Typ Axis 206M ließen uns an ihren Bildern teilhaben. Die Welt der Datacorp lag uns zu Füßen. Auf einmal konnten wir per Video in alle Niederlassungen einen Blick werfen, manche Kameras ließen sich sogar aus der Ferne schwenken. Wir waren total geflasht, ungefähr wie damals in den Neunzigern, als die ersten Webcams aufkamen.
    »Wow, man kann sehen, was in dieser Sekunde gerade auf dem Times Square abgeht. Das ist die Zukunft! «, dachten alle. Dann wurde natürlich erst mal die Kaffeekanne in Cambridge angeguckt und zehn Minuten lang umsonst darauf gewartet, dass Jennifer Ringley sich vor der Kamera auszieht. Hat sie natürlich nicht gemacht, doch andere Mädels zierten sich weniger. Und so übernahmen in der Welt der Webcams anstatt von süßen Jennys die dreckigen Cam-Huren die Macht und die Sache verlor mächtig an Appeal. So ähnlich lief das auch mit den Datacorp-Kameras ab. Wir waren erst mal voll aufgeregt, dass wir jetzt aus der Ferne das Wetter vor der Datacorp-Station in Kangerlussuaq abchecken konnten -aber dann ließ die Energie auch schon nach und wir loggten uns wieder aus. Okay, in Wirklichkeit haben wir auch deshalb so schnell aufgesteckt, weil wir Panik bekamen, unser kleiner Überwachungskamera-Hack würde in irgendwe1chen LogFiles auftauchen. Damals hatten wir noch was zu verlieren. Jetzt irgendwie nicht mehr. What. The. Fuck. Ist das jetzt echt ... Nein, das kann

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