Extraleben - Trilogie
psychedelischem Pink-Orange herum, und daneben stand: »Gibt es sie wirklich?«
Das Teil hat er mehrfach im Fieberwahn durchgearbeitet, dann kam er zu einer klaren Antwort: Ja, es gibt sie wirklich. Eigentlich freue ich mich immer, wenn er mir seine außerirdische Sichtung des Tages präsentiert - schließlich ist die allemal interessanter als seine drögen Assembler-Vorträge. Letzten Monat zum Beispiel hat er wieder die Story vom Mini-Ufo aufgewärmt. Sie fing wie immer mit dem Wort »angeblich« an; damit signalisiert Nick, dass er zu dem haarsträubenden Bullshit, der gleich folgen wird, selbstverständlich die kritische Distanz eines Wissenschaftlers wahrt.
»Angeblich haben 1972 zwei Jungs in Japan, genauer gesagt: in der Präfektur Kochi ...«.
Aha, blabla. Im Endeffekt ist ein Mini-Ufo ins japanische Reisfeld gefallen, na toll. Auf dem Foto, das er als Beweis präsentierte, sah die Untertasse verdächtig aus wie eine echte Untertasse, die einfach jemand mit Silberfarbe angesprüht hat. Doch das durfte ich unter keinen Umständen sagen! Vor dem großen Richter Nick sind alle Ufo-Zeugen grundsätzlich glaubwürdig. Ein Hoax? Niemals! Jedenfalls hatten die Schuljungs das Teil gefangen und in die Löcher auf der Unterseite Wasser gegossen, berichtete Herr von Däniken und legte aufgeregt nach: »Und weißt du, was dann passierte?«
Nein.
» ... dann fing es an zu zirpen und leuchtete blau!«
Ist nicht wahr. Gegen Ende der Story, wenn Sput-Nick merkt, dass die außerirdischen Dönekes sein Publikum nicht umhauen, fransen seine Erzählungen immer weiter aus, besser gesagt: Er fängt an, frei rumzuspinnen.
»Apropos Untertassen. Weißte noch? Saucer Attack -dieses coole Spiel aufm 64er. Die Grafik vom Weißen Haus war ja wohl der Hammer, und dann konnten die Ufos ja sogar den Obelisken abbrutzeln. Komisch nur, dass im Intro >God save the Queen< lief, ist ja die britische Hymne ... Na egal, hat der Typ nicht '85 dann diese geniale Demo Time Crystal gemacht? Wenn daraus echt ein Spiel geworden wäre ...«
Und so weiter und so fort, in alle Ewigkeit. Eigentlich müsste Nick an der Straßenadresse Infinite Loop 1 wohnen. Klack. Die Studis oben haben die Balkontür zugemacht, ich sollte auch langsam mal über einen Feierabend nachdenken. Die Überwachungskameras der Datacorp geben immer noch nichts her. Über meinen Rechner, den ich auf dem Kachelboden abgestellt habe, flimmert gerade eine weitere Serie von Parkplatz-Impressionen - liegen diesmal stilistisch zwischen Cyberdyne und Initech, der Firma aus »Office Space«.
Lustig: Durch die ganzen amerikanischen Filme kommt einem das alles total vertraut vor. Würde man die ganzen Stunden vor der Glotze zusammenrechnen, käme wahrscheinlich raus, dass wir mehr Zeit in amerikanischen als in deutschen Büros verbracht haben. Okay, noch zehn Minuten, dann reicht's. Wäre ja auch zu einfach gewesen.
#12 T-7: 13:23
Er ist es. Ganz klar. Er ist es. Aber warum sitzt er da? Schnell -Screen Recorder an, alles sofort mitschneiden. Doch, er ist es. Die Kamera starrt direkt von oben auf Nick runter, als ob sie wie eine lästige Fliege unter der Decke klebt. Scheiße, ist das kalt. Und warum haben die Studis auf einmal ihre Mucke abgestellt? Natürlich, bin eingeschlafen, es ist schon weit nach zwölf. Das Videobild sieht genauso aus wie auf den Monitoren, die an der Tanke manchmal hinter dem Kassierer stehen - Schwarz/Weiß, total verrauscht mit brutalem Kontrast, der alles zum Linolschnitt macht. Als ob Holger Maas das Band schon fünfmal überspielt hätte. Auf Nicks Stirn spiegelt sich das Neonlicht der Decke; der Lichtpunkt brennt hell wie eine Magnesiumflamme, wie bei Kulenkampff früher, wenn die Kamera aus Versehen einen der Studioscheinwerfer streifte. Der arme Beifahrer, das wird ihm nicht gefallen. Er muss vor einem normalen Rechner sitzen, 21-Zo11-Bildschirm, 08/15-Tastatur, billige Zweiknopf-Maus. Shit, wenn die Cam ein bisschen weiter rechts angebracht wäre, könnte man sehen, was sich auf seinem Bildschirm abspielt. So gähnt mich nur die graue Rückseite des Monitors an. Kein Herstellerlogo drauf, dafür sind die Kabel an der Basis schön ordentlich durch so ein Führungsloch gefädelt. Der Rechner selbst ist nicht zu erkennen, muss neben Nicks Fuß stehen. Etwas an seiner Haltung ist nicht normal. Er hibbelt gar nicht rum wie sonst. Zeit, um sein Hemd zu wechseln, hatte er wohl auch nicht, denn er sitzt immer noch in dem gleichen zerknitterten
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