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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Wir starren abwechselnd in unsere Dosen und auf die Highway-Kurve unter unseren Füßen. Durch den Asphaltkorridor, der den dichten Wald durchkreuzt, weht ein warmer Abendwind. Unser Werbeschild steht kurz vor dem Ortseingang des Zwanzig-Seelen-Dorfs, in dem wir abgestiegen sind. Hier oben zwischen den haushohen Tannen ist es stockdunkel. Nur von dem kleinen Depot der Straßenmeisterei auf der anderen Straßenseite funzelt ein bisschen Licht rüber. Da wacht eine einsame, orange glimmende Straßenlaterne über eine Schneefräse und einen Haufen Split. Für unsere Verhältnisse war es eine ziemlich mutige Aktion, aufs Schild zu klettern, denn angenommen, ein Wagen käme vorbei, säßen wir mitten im Scheinwerferlicht, und mal schnell runterspringen und weglaufen wäre bei der Höhe nicht drin. Doch das Miller hat alle Ängste vor Bullen oder Mitmenschen betäubt. Es ist nach zehn, da hat Chief Wiggum ohnehin schon lange Feierabend. Trotzdem: Es war eine gute Idee von Nick, hierherzukommen und den ganzen Stunt mit dem Schild auf uns zu nehmen. Nach so einem Tag hätten wir nicht vor dem Motelfernseher wegpennen können. Wir mussten einfach - haha - runterkommen, den ganzen Stress vor der Bullenkontrolle mit ein paar schönen neuen Daten überschreiben. Deshalb geben wir uns auch beide ordentlich Mühe, einen gelungenen Abend zu fabrizieren. Wie wäre es mit ein bisschen Auto-Ausfüllen, Alter, passend zur Location?
    »Sind wir Freunde?«, fange ich an. Nick braucht trotz der Bierchen keine Sekunde, um die Eröffnung zu erkennen: Es ist die Unterhaltung von Rourke und Johnson, als sie oben auf dem Schild sitzen, natürlich. Er grinst.
    »Sicher sind wir Freunde.«
    »Wie kommt es dann, dass - nach aller Scheiße, die wir durchgemacht haben - du mir noch immer nicht auf die Frage geantwortet hast, die ich dir schon tausendmal gestellt habe?«
    »Welche Frage?«
    Da Nick keine zerrissenen Cowboystiefel trägt, sondern von der Kletteraktion ziemlich zerkratzte Anzugschuhe, weiche ich vom Skript ab.
    »Wohin fahren wir?«
    Eigentlich hätte ich erwartet, dass ihm an dieser Stelle das Grinsen vergeht und er in sein professionelles Business-Schweigen verfällt. Stattdessen schließt er seine Augen auf diese wohlwollende väterliche Art, so, als wollte er sagen: Ja, ja, nur noch einmal schlafen, dann ist Silvester und du darfst deine D-BöllerSammlung hochjagen. Nick räuspert sich.
    »Morgen, Harley, morgen sage ich dir, wohin es geht.«
    Was die ganze Kletterei extra kompliziert gemacht hat, war, dass er darauf bestand, das Tape mit hier raufzuschleppen. Jetzt liegt die Kassette direkt neben seinen Beinen, die er wie Pippi Langstrumpf von dem schmalen Holzbrett runterbaumeln lässt. Unsere Sitzfläche ist eine halbe Arschbacke breit, dahinter geht es bestimmt zwei Meter senkrecht runter - ein ziemlich unsicherer Platz für unseren Schatz, Alter! Ich zeige auf das Tape.
    »Mal im Ernst: Was, meinst du, ist da wirklich drauf?«
    Nick grinst.
    »Vielleicht ein verlorenes Nasa-Tape.«
    Haha, die Nasa-Datenbänder. Mit dem Beispiel habe ich meinen Eltern damals erklärt, was wir bei der Datacorp machen. Eine coole Geschichte, die zeigt, was digitale Demenz bedeutet. Sie beginnt irgendwann Ende der Achtziger: Damals findet eine Archivarin der Nasa in einem alten Salzstock einen riesigen Stapel alter Datenbänder - über tausend fette 70-Millimeter-Tapes in Aludosen. Sie verfolgt ihre Spur zurück und macht eine überraschende Entdeckung: Auf den Bändern sind hochauflösende Fotos gespeichert, die ein paar Mondsonden Ende der Sechziger geschossen haben. Sie wurden von den Amis losgeschickt, um passende Landeplätze für die Apollo-Mission zu finden. Die Sonden haben die Bilder erst auf Analogfilm geknipst, dann wurden sie direkt an Bord gescannt und an eine Nasa-Bodenstation in der Nähe von Madrid gefunkt. Und genau da hat man die Fotos dann auf den Tapes gespeichert. Diese Bilder müssen sofort veröffentlicht werden! Das zumindest meint die Archivarin und erklärt die Rettung der Tapes zu ihrem privaten Kreuzzug. Allerdings fährt sie schnell gegen die klassische Legacy-Wand: Niemand kann die Tapes lesen, weil die Bilder in der Bodenstation seinerzeit von einem steinzeitlichen Ampex-FR900-Rekorder aufgezeichnet wurden, und obendrein in einem analogen Format, das seit Jahrzehnten ausgestorben ist. Also fängt sie an, weltweit nach passenden Laufwerken zu fahnden, die die Daten lesen könnten: bei der CIA, in Waffentestgeländen

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