Extraleben - Trilogie
er natürlich nicht sagen dürfen. Das war ein schwerer Verstoß gegen die Datacorp-Regeln. Dank seiner Indiskretion weiß ich jetzt, dass er und Nick bei seinem letzten Einsatz hier oben zusammengearbeitet haben, als die Rechner in der Atomraketen-Basis ab geraucht waren. Dabei habe ich nicht dasneed to know! Wäre der Kleine auch bei der Company angestellt, hätten sie ihn dafür rausgeworfen. Der Beifahrer tut so, als habe er nichts bemerkt, dabei wurmt es ihn innerlich, dass jemand die Vorstellung in seinem Vertraulichkeitszirkus so jäh unterbrochen hat.
»Wissen wir noch nicht. Kannst du das Tape lesen?«
Der Typ nickt kurz. Dann wechselt er das Standbein und stützt sich mit der Hand ziemlich ungelenk in der Hüfte ab, als wüsste er nicht, wohin mit seinen Gliedmaßen. „Sure. Aber der Fiftyone-Ten ist nicht auf dem Bruderhof, sondern in der alten Scheune, you know. Wir können uns da treffen, wenn das Abendgebet, aäh, ist vorbei.«
Okelidokeli, Ned Flanders. Jetzt rück das Tape wieder raus, damit wir endlich abdampfen können. Ich brauche Fahrtwind! Nick scheint es auch eilig zu haben, denn er reißt seinem Kontaktmännchen die Kassette förmlich aus der Hand.
»Sehr schön. Dann sehen wir uns um ... «
Er schaut seinen Gegenüber fragend an. „... ten p. m., dann sind wir sicher«, ergänzt der Junge und dreht sich um. Sicher wovor?
#33 T-2: 17:26
Nick ist so was von scheißtolerant, dass es nervt. Ich habe ihn doch nur gefragt, was für ein Jesusfreak das denn bitteschön war, und er geht gleich an die Decke.
»Das war kein ... «, er deutet mit den Fingern Gänsefüßchen an, » ... Jesusfreak, sondern ... «
An dieser Stelle bricht er seine Gardinenpredigt plötzlich ab, um mir den Autoschlüssel rüberzuschmeißen.
»Ach, ist ja auch egal, lass uns erst mal losfahren.«
Wir schwingen uns in die Kiste und versuchen dabei, möglichst wenig Hintern-Kunstleder-Kontakt herzustellen, da die bordeauxroten Polster glühen.
»Scheiße!«
Nick zieht sich am Haltegriff hoch und versucht, die schwebende Jungfrau zu machen. Ich lutsche meinen Zeigefinger an, halte ihn ans Polster und mache dazu ein Zischgeräusch, als ob ich auf eine heiße Herdplatte gefasst hätte. Der Beifahrer muss lachen und - zack schon hat er mir meine politisch unkorrekte Spitze gegen seinen Busenfreund verziehen. Vielleicht läuft bei denen ja so ein Vater-Sohn-Ding.
»Kannste wohl laut sagen. Das Zeug ist so heiß wie flüssiges Metall«, sagt Nick und versucht, seine Stimme in den Barry-White-Keller runterzudrücken.
»Model T-one thousand, liquid metal.«
Sehr schön frei assoziiert, mein Freund. Wir kichern eine Runde, dann starte ich den Motor, und mit dem ersten kühlenden Stoß Fahrtwind ist alles wieder gut. Erst jetzt fällt mir auf, dass der Vogel eben gar nicht seinen Namen gesagt hat.
»Wie heißt der überhaupt?«
»Joseph«, drückt Nick raus.
»Und was für Verein ist das da, auf dem Bruderhof?«
Ich rolle das »r« wie ein Wochenschau-Sprecher aus den Fünfzigern und kassiere den nächsten bösen Seitenblick. Nick räuspert sich.
»Schon mal was von den Hutterern gehört?«
»Haben die was mit Jabba dem Hutterer zu tun?«
Komm schon, Alter, der war nicht schlecht.
»Genau. Der ist da der Chef«, gibt der Beifahrer etwas säuerlich zurück. Dann spult er den Eintrag aus seiner Nickipedia ab: Anscheinend sind die Hutterer so eine Art von Sekte, die vor hundertfünfzig Jahren aus Europa in die USA ausgewandert ist. Überall, wo sie hinkommen, rotten sie sich zu hundert Mann auf einem Hof zusammen, auch hier in Montana und nebenan in Kanada. Untereinander sprechen sie Deutsch mit bayerischem und österreichischem Einschlag. Und weil die Jungs immer schön mit ihren Cousinen verheiratet wurden, haben sie wohl sogar eine eigene Blutgruppe.
»Innerhalb der Sekte gibt es noch so verschiedene Gruppen mit ganz strangen Namen«, doziert Nick, »so zum Beispiel Prärieleut oder Arnoldleut.«
Ha! Das erklärt den Arnie-Akzent. Weil er gerade so schön im Flow ist, behalte ich den Witz aber lieber mal für mich und lasse ihn zum Ende kommen.
» ... jedenfalls leben die so kommunenmäßig zusammen und haben auch mit Technik nicht so viel am Hut.«
»So krass wie diese Amish, die immer noch mit der Kutsche rumfahren?«
Bei denen spielte doch »Der letzte Zeuge« mit Harrison Ford.
»Nene. Die Hutterer dürfen schon Technik benutzen, die fahren auch mit 'nem Mähdrescher die Ernte ein und so. Allerdings
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