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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Essensabteilung bin, packe ich gleich noch zwei eingeschweißte Sandwiches ein, unser Abendessen. Nick drückt gerade den Kleckerschutz auf die Kaffeebecher. Wie immer hat er nicht die richtige Größe erwischt, merkt es aber nicht und lehnt sich auf den Plastikdeckel, damit er sich endlich über den Becherrand stülpt.
    »Shit!«
    Er hat sich bei seinem Gewürge einen Schluck Kaffee auf die Hand gekleckert. Auf einmal mischt sich Mom ein.
    »Can I help you?«
    Sie schlurft aus ihrer Kasseninsel raus und zur Kaffeetheke rüber.
    »The large ones are over here«, sagt sie und zeigt auf einen weiteren Stapel Kleckerdeckel unter der Theke, die die richtige Größe haben. Sie sieht exakt aus wie alle U.S.-Moms, die schon erwachsene Kinder haben. Dauerwelle, roter Häkelpulli mit aufgenähtem Kram aus Pailletten, untenrum maximal uncoole Bügelfalten-Jeans - diese Sorte nennen die Kids hier schon »Mom-Jeans«, eben weil alle Muttertiere sie tragen. Außerdem hat sie seit ihrer Prom-Night vor dreißig Jahren ein paar Apfelkuchen zu viel gegessen.
    »Äh, thanks«, Nick tupft sich hektisch seine Hand ab. Da fällt sein Blick auf den Game Boy in ihrer Hand. Plötzlich setzt er seinen hyperfreundlichen Beamten-und-Mütter-bezirz-Blick auf und legt mit seinem angetäuschten Oxford-Akzent los: »Ma'am: Would you consider selling this?«
    Er trägt ordentlich auf, sagt extra britisch »considdaah« - wie immer, wenn er amerikanische Damen mit dem Charme der Alten Welt betören will. Und es klappt: Mom kriegt rote Wangen, das Kästchen gehört schon so gut wie ihm. Zumindest der schlimmste Gadget-Entzug ist abgewehrt.

#35 T-2: 11:26
    »Es reibt sich die Haut mit der Lotion ein!«, kreischt Nick und biegt sich vor Lachen. Natürlich ein Zitat aus »Schweigen der Lämmer«, wie so oft. Was er sagen will, ist: Alter, mal wieder ein Motelzimmer, in der auch der freundliche Serienmörder von nebenan absteigen könnte. Er hat recht. Das ganze Motelzimmer ist mit diesem Billigholz ausgekleidet, mit dem früher Nicks Vater auch den Partykeller zugepflastert hat, um für etwas Gemütlichkeit zu sorgen. Die Holzvertäfelungen verfolgen uns echt auf dieser Dienstreise. Dazu ein kackbrauner Teppich mit einem Flor, der so hoch ist, dass die Zehen fast drin verschwinden. Komplettiert wird die Schändungsromantik durch ein paar gerahmte Aquarelle von Büffelherden über unseren Betten. Wir tun dem Motel natürlich schreiendes Unrecht an, denn es ist eigentlich ganz nett: Jedes Doppelzimmer ist in so einem kleinen pseudobayerischen Blockhäuschen untergebracht, das zwischen den Highway und einen kleinen Bach gequetscht wurde. Im Namen des Motels steht der Zusatz »Chalet“, wie immer, wenn der Ami in Alpenromantik investiert hat. Nick haut sich aufs Bett und fängt sofort an, an seinem neuen Spielzeug, Moms Game Boy, rumzudengeln. Läppische zwanzig Kracher waren nötig, um sie davon zu trennen, dafür hat sie uns sogar noch dieses seltsame, quietschgelbe Kameramodul dazugeschenkt. Das hatte Nintendo irgendwann in den Neunzigern rausgebracht. Wird ganz normal wie ein Spiel oben in den Game Boy reingesteckt und schießt Fotos in absolut grottenschlechter Auflösung - mit vier Graustufen. Für die ganz harten Fans gab's noch einen Drucker dazu, der die Werke auf einen Streifen Thermopapier bannte, der ungefähr so breit war wie ein Kassenbon. Eben nur was für Freaks. Freaks wie Nick. Seit gut zwanzig Minuten hat er einen Riesenspaß dabei, mit der Kamera seinen Fuß zu knipsen. Dabei liegt genau dasselbe Teil schon seit Jahren bei ihm zuhause, und nicht nur das, er benutzt die Kamera sogar noch, obwohl wir schon das 21. Jahrhundert haben und es weiß Gott bessere Dokumentationstechnologien gibt. Aber nein, er schießt immer noch Fotos mit 0,01 Megapixeln. Vermutlich von Sabinas Möpsen. Egal, er hat jedenfalls seine Gadget-Dosis gekriegt, und damit steigt seine Stimmung enorm, und meine irgendwie auch. Unsere Laune wird fast ein bisschen zu gut. Langsam fängt der Kopf nämlich wieder an, sich die Dinge zurechtzubiegen, die unangenehmen Daten auszublenden. Die Entführung in die Botschaft? Ein Missverständnis. Der Hubschrauber am Flughafen? Vielleicht doch nur ein Zufall.
    »Apropos ...«, setzt Nick an, ohne seinen Blick vom Display loszueisen. Apropos »apropos«: Anders als bei anderen Leuten bedeutet dieses Wort beim Beifahrer nicht, dass jetzt irgendwas kommt, das mit dem davor Gesagten zu tun hat. Nein, es signalisiert einfach nur, dass

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