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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Grad Celsius also. Und tatsächlich: Als die Stewardess die Tür öffnet, zischt ein laues Lüftchen in die Maschine. Sollte ich doch richtig angezogen sein? Auf jeden Fall ist es herrlich, mitanzusehen, wie die Survival-Profis schon beim Aussteigen mit all ihren Supergerätschaften ins Schwitzen kommen. Dann die nächste Überraschung: Kangerlussuaq Airport hat einen Finger! Während die Gangway langsam andockt, drängeln sich die atmungsaktiven Horden schon im Gang, als gelte es, irgendeinen wahnsinnig dringenden Anschlussflug zu erreichen. Als vorletzter Passagier schiebe ich mich durch die Sitzreihen und flöte der fünfzigjährigen Stewardess am Ausgang ein etwas zu nettes »Bye« entgegen. Erbärmlich, was der Jetlag aus einem macht. Nach ein paar Schritten dann die Erkenntnis, dass wir Unrecht hatten: Die Interzone hat keineswegs alle Winkel der Welt erreicht, sondern musste ihren Vormarsch kurz vor Grönland stoppen. Kangerlussuaq hat nichts gemein mit allen Airports, auf denen Nick und ich jemals gelandet sind. Hier gibt es keine grünen Schürzen, keine rot-orangenen Kreise, keine goldenen Bögen - und bei meinem Jetlag-Hunger muss ich sagen: leider. Stattdessen stehe ich mitten in einem Bretterverschlag mit zwei Metern Deckenhöhe, der mit unverständlichen Schildern tapeziert ist, die selbst gemalt aussehen wie die Schilder am Waffelstand auf einem Pfarrfest.
    »Grönlands-grossîsten. DE FRISKE SUTTIKER. 325 BUTTlKER« schreit es mir von einem Poster hinter dem Gate entgegen. Ich habe weder eine Ahnung, was hier angeboten wird, noch, was es kostet, denn alle Preise sind in dänischen Kronen ausgezeichnet - selbst in dem winzigen Souvenirladen, der sich in der Ankunftshalle zwischen zwei giftgrüne Wänden gezwängt hat. So fühlt es sich also an, in der Fremde zu sein. Nach vielen Jahren der Heimspiele in den USA, bei denen Nick und ich mit unserem Akzent oft als »guys from Boston« durchgingen, ist das hier ein echter Neustart. Ich kann keine Schilder lesen und kann nicht verstehen, wovon die Leute reden. Der Einzelhandel von Kangerlussuaq ahnt nicht, was für ein Glückssträhne ihm bevorsteht. Mit mir zusammen zwängen sich Dutzende von verwirrten Windjackenträgern durch die engen Gänge des Terminals. Sie stecken hier fest, weil irgendeine Maschine nach Kopenhagen ausgefallen oder verspätet ist. Der Ami in der Sitzreihe hinter mir hatte während des Fluges seiner Begleiterin erzählt, dass Air Greenland von Einheimischen nur »Air Maybe« genannt würde. Scheint was dran zu sein. Nachdem ich einige Minuten ohne Erfolg die Zollabfertigung gesucht habe - es scheint keine zu geben -, wende ich mich an eine ältere Dame, die im Giftshop die Kasse bedient.
    »Excuse me, how do I get into town?«
    Die Grauhaarige lacht, während sie einen Stapel Postkarten eintütet.
    »Sir,this is the town!«

LEVEL 31
    Geht doch. Heute, an meinem zweiten Tag in Kanger, verhält sich das Wetter so, wie es das in der Nähe des Pols sollte: Es ist schlecht, und zwar richtig. Irgendwann. während ich heute Nacht im Zeitzonen-Koma lag, hat es wohl angefangen zu regnen und seitdem auch nicht mehr aufgehört. Das Wasser knallt so heftig gegen die Fensterscheiben des Restaurants, dass man Angst kriegt, sie könnten zerbrechen. Dicke Rinnsale ziehen sich den Rahmen herunter, und auf der Schotterpiste. wo gestern noch der Geländewagen Staub aufgewirbelt hatte, stehen jetzt kleine Teiche aus Schlamm. Obwohl es erst früher Nachmittag ist, hat sich der Himmel so eingedunkelt, dass die Bergkette hinter dem Frachtterminal von Air Greenland verschwunden zu sein scheint. Ich sitze imKangerlussuaq Poelsevogn, was so viel heißt wie Hot-Dog-Wagen, und kaue lustlos an einer Moschusochsen-Wurst, der Spezialität des Hauses. Nein, ein Sandwich mit Truthahnbrust könne sie nicht machen, hat die nette Dame hinter der Theke gesagt. Also bestelle ich wohl oder übel den Moschusochsen und hoffe, dass er keine aphrodisierende Wirkung hat; der Jetlag reicht. Da das Restaurant einfach zu klein ist, um die Bedienung anzuschweigen, versuche ich die Zeit, die der Mikrowellenofen zum Auftauen des Fleischs braucht, mit einem lockeren Gespräch über die Landessitten zu verkürzen. Auf meine Frage, ob es hier in Grönland üblich ist, Trinkgeld - »a tip« - zu geben, starrt mich die nette Oma nur verständnislos an.
    »What's a tip?«
    Mit der Air Force scheinen auch die amerikanischen Sitten abgezogen zu sein. Dann kommt der Ochse auf Brot, und

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