Extraleben - Trilogie
wird die aufsteigenden Zweifel schon runterspülen. Nein, ich bewege mich mit Sicherheit in einem Szenario wie bei Hacker II : Wie viele Spiele und Filme der Achtzigerjahre begann auch dieses mit einer fiktiven Datenfernübertragung, die sich Buchstabe für Buchstabe auf dem Monitor aufbaute - begleitet vom obligatorischen Piepen.
SINCE YOU HAVE BEEN RECOGNISED AS THE WORLD'S LEADING AUTHORITY ON COMPUTER SECURITY SYSTEMS, THE CENTRALINTELLIGENCEAGENCYWISHES TO ENLISTYOU IN ITS EFFORDSTO COMBATINTERNATIONALTERRORISM.
Wieder das alte Motiv: Hacker wird vom Staat rekrutiert, um für Volk und Vaterland in die Tasten zu greifen. Bei Hacker II ging es darum, eine russische Geheimbasis zu infiltrieren, und zwar aus der Ferne. Alles, was der Spieler sah, waren die Bilder von vier Überwachungsmonitoren, und eingreifen konnte man nur mithilfe von ferngesteuerten Robotern. Ein beklemmendes Game. Am Schluss entpuppte sich die Nachricht der CIA obendrein als gefälscht, und der vermeintlich patriotische Hacker musste erfahren, dass er in Wirklichkeit für eine dubiose Privatfirma gearbeitet hat, eine Firma wie die Datacorp. So muss es auch bei uns sein: Mithilfe von Moonlander will jemand Nick und mich als Agenten oder was auch immer gewinnen. Und nach bestandener Informatik-Prüfung folgt jetzt das Prüfungsgespräch an Ort und Stelle, in Black Ridge II. Zugegeben: Trotz aller Indizien bleibt ein Rest von Unsicherheit. Was ist, wenn all die Geschichten von Regierungsagenten, Aliens und Softwarekonzernen, die sich über Honeypots und geheime Botschaften an die Elite der Cracker und Zocker ranmachen wollen, nichts als ein großer Selbstbetrug sind, lediglich eine Subroutine in unserem Kopf, mit der wir uns einreden wollen, dass all die Lebensjahre am Joystick, beim Poken und Frickeln eben doch nicht verschwendet waren? Was wäre dann? Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, erwachsen zu werden und der Wahrheit ins Auge zu sehen: Die Welt ist kein „P.M.«- Magazin. Wahrscheinlich war es wirklich nur ein Wetterballon, der 1947 in Roswell runterkam. Womöglich hatten sich die Marinepiloten von Flug 19 wirklich nur verirrt, als sie zwei Jahre zuvor in jener Gegend spurlos verschwanden, die später als das Bermuda-Dreieck bekannt wurde. Vielleicht liegt kein Nazi-Gold am Grund des Toplitzsees, und der britische Hacker Gary McKinnon hat im Netz der NASA wirklich keine Beweise für Alien - Technologie gefunden. Wahrscheinlich sogar. Alles in allem hat Nick wohl Recht, und es ist höchste Zeit, die Fantasiewelt eines Kids von 1984 hinter sich zu lassen und weiterzuziehen. Aber noch nicht jetzt und nicht hier. Die Vertreibung aus dem Paradies kann noch 24 Stunden warten, bis morgen Abend. Bis morgen Abend, Nick.
LEVEL 33
Die Begeisterung für manche Sachen im Leben verläuft wie eine Welle: Singen in Gesellschaft, Kaffeetrinken am Sonntagnachmittag - und Wandern zum Beispiel. Da fängt die Begeisterungskurve ganz weit links oben an, wenn man noch ein Kind ist, rauscht während der Pubertät in den Keller und erholt sich erst ab 30 wieder langsam. Genauso läuft es halt mit dem Wandern: Das lässt sich zu Grundschulzeiten erst mal ganz gut an, wenn man im Osterurlaub mit den Eltern nach Meran fährt. Da muss man einfach wandern, das gehört dazu wie Manner, Almdudler und Papas Hinweis, dass der Abstieg ja viel anstrengender sei als der Aufstieg - übrigens wieder ein Punkt für unsere Liste ewiger Elternweisheiten. Dann wird man irgendwann 14 und hat keine Lust mehr, die Beine zu bewegen. Diese Einstellung schlägt ins Extreme um, sobald man den Führerschein in der Tasche hat. Bei uns erreichte sie ihren Höhepunkt in dem Moment, als wir die 250 Meter vom Oberstufen-Aufenthaltsraum bis zur Spielkiste mit dem Auto gefahren sind, und zwar jeder mit seinem eigenen Wagen. Eine Fahrgemeinschaft zu gründen war fast noch undenkbarer, als freiwillig zu wandern. Irgendwann, Mitte zwanzig, kam dann der Umschwung auf leisen Sohlen. Er begann mit dem Satz: »Da sind wir doch in zehn Minuten oben!«
Fast beiläufig ließ Nick diese Worte fallen, als sei nichts dabei. Das war, als wir in Oregon gerade an einem Berg namens Black Butte vorbeifuhren, der sich leider nicht wie »Butt«, also Hintern, ausspricht, sondern ganz Pseudofranzösisch »Bjuht« und auch eher ein Hügel als ein Berg ist. Von der Straße aus sah er jedenfalls völlig läppisch aus. Wir schätzten, dass es bis zum Fuß des Hügels zweihundert Meter sind; dann kam ein
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