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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Flugzeug verkümmerten Wadenmuskel heftiger. Obendrein weht jetzt ein scharfer Wind vom Eisrand herüber und zwingt mich, das total uncoole gelbe Cape auszupacken.
    »Ja, aber es ist nur eine trockene Kälte«, kann ich die Goretexaner förmlich belehren hören. Irgendwann geht es nur noch im Kriechtempo weiter: Ein paar Meter Kraxeln, nach oben schauen, den Fortschritt begutachten, dann über die nächsten paar Felsbrocken balancieren - bei diesem Rhythmus kommt die Basis nur in Zeitlupe näher. Ich kriege Seitenstechen und muss zweimal ganz anhalten, um Pause zu machen. Schließlich bin ich doch nahe genug an die Station gekommen, um die ersten Baracken zwischen den Radarinstallationen erkennen zu können. Mit ihren schwarzen Fenstern sehen die grauen Zweckbauten wie das Gebiss eines alten Mannes aus. Da drinnen haben sie also dreißig Jahre lang vor ihren Bildschirmen gesessen und langsam durchgedreht, die Radartechniker der Air Force. Wie antike Torwächter müssen sie sich vorgekommen sein, allein im Dunkel der Nacht, nur wach gehalten von dem Wissen, dass sie allein verhindern können, dass sich der Feind in der Dunkelheit der Nacht heranschleicht und ihre Familien auslöscht. Im Netz sind die Berichte der Dew-Veteranen noch heute zu lesen, Geschichten von hirnaustrocknender Langeweile, von ständigen Panikattacken, wenn ein »Unkown« - meist Sportflieger - in die Maschen der Mikrowellen geriet, von Leere und Frustration. Trotzdem sind sie alle froh, dass der blinkende Punkt auf dem Schirm, für den sie hier oben saßen, niemals auftauchte. In den Sechzigern bauten die Russen dann zum ersten Mal Raketen, die so hoch fliegen konnten, dass sie von Bodenradars nicht zu entdecken waren. Sie machten den elektronischen Limes im hohen Norden überflüssig, und die USA beschlossen, die meisten Stationen abzubauen. Wie sinnlos müssen sich die verbleibenden Wächter in der arktischen Einsamkeit vorgekommen sein? Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die Dew-Line endgültig demontiert, meist von Spezialfirmen für heikle Aufträge, weil die alten Stationen randvoll mit Giftmüll sind, Arsen und so. Ich bilde mir ein, den Asbest aus dem schönen Rhodesien schon bis nach hier unten riechen zu können. In Wirklichkeit ist die Luft so klar, wie sie nur an einem Punkt sein kann, der in jede Himmelsrichtung 2000 Kilometer von der nächsten Fabrik entfernt ist. Wäre da bloß nicht das lästige Wandern. Langsam kriege ich einen Black-Butte-Flashback: Der Aufstieg nimmt kein Ende; Bergkamm folgt auf Bergkamm, eine gnadenlose Mauer aus Felsen, und ohne einen Kumpel, vor dem man das Gesicht wahren muss, gebe ich mich meiner schlechten Form hin. Ich gönne mir alle paar Meter eine ausgedehnte Atempause und wedele mit meinem durchnässten T-Shirt. Zwei von drei Müsliriegeln habe ich aufgegessen, mein Wasservorrat, eine Flasche Vittel aus dem Flughafenshop, ist ebenfalls schon halbleer. Was ich jetzt bräuchte, wäre ein Motivationskick - zum Beispiel ein Nick, der sagt: »Wer zuerst oben ankommt, ist der bessere Zocker.«
    Nach gefühlten anderthalb Stunden steilem Aufstieg, in echt waren es wahrscheinlich nur zwanzig Minuten, lässt die Steigung endlich nach, und anstelle von Felsklumpen liegt jetzt Sportplatzschotter auf dem Weg. Hinter dem nächsten Buckel müsste die Radarstation eigentlich gut zu sehen sein. Das wäre übrigens auch genau die Stelle, wo sonst immer der berühmte Zaun steht, an dem unsere Geheimtrips enden. Nur dass er diesmal nicht kommt. Kein »No Trespassing«- Schild verbietet das Herumstreunen, keine Kameras verderben die Einsamkeit, nichts. Seltsam, wie sichern die den Perimeter gegen Wochenend-Abenteurer wie mich ab? Hier könnte doch jeder raufmarschieren, sich ein Bein brechen und danach die US-Regierung verklagen. Dann auf einmal taucht Black Ridge II hinter dem Bergkamm auf, wie eine Kathedrale vor wolkenlosem Himmel. Wow, allein für diesen Blick hat sich der Trip schon gelohnt. Schon komisch, dass Nick auf dem ersten Kreuzzug, wo es wirklich was zu sehen gibt, nicht dabei ist. Was aus dem Tal noch wie ein Märklin-Städtchen aussah, ähnelt von Nahem dem Spielplatz eines Riesen: Die Autokinoleinwände sind in Wirklichkeit Troposphären-Antennen, jede so hoch wie ein dreistöckiges Haus, mit denen die Horchposten andere Stationen anfunken konnte, die einen halben Kontinent weg waren. Gleich drei der Dinger stehen am Rand der Station. Ich kann immer noch nicht glauben, dass mich niemand

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