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Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Titel: Extrem: Die Macht des Willens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Bücher
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Kleidung. Der Dschungel ist nichts für zarte Haut. Nackte Haut wirkt hier wie ein Magnet auf die unzähligen, hungrigen Insekten. Ich muss höllisch aufpassen, denn Schürfwunden und Hautinfektionen können schwerwiegende Folgen in diesem Terrain haben. Vor mir taucht schon das nächste Hindernis auf: ein Sumpf, den es zu durchqueren gilt. Auch davor wurde beim Überlebenstraining gewarnt, da Schlangen und vor allem Stachelrochen Bewohner dieser trüben und seichten Gewässer sind. Bilder von Abenteuerfilmen schießen mir in den Kopf. Bilder von riesigen, angsteinflößenden Anakondas, die an die Wasseroberfläche kommen, angreifen und ihre Opfer grausam erwürgen. „Stopp“, sagt meine innere Stimme. „Ich bin nicht der erste Läufer, der durch diesen Sumpf marschiert, und die anderen leben auch noch. Also Augen zu und durch.“ Doch die Herausforderung beim Durchschreiten dieser Sumpflöcher, von denen es auf jeder Etappe gleich mehrere gibt, ist, dass man häufig nicht erkennen kann, wie tief diese sind. Ganz langsam gehe ich, Schritt für Schritt, durch das trübe Wasser. Ich merke, dass irgendetwas oder irgendjemand meine Wade berührt. Ich denke nicht weiter darüber nach, sondern will einfach nur heil aus diesem Sumpfloch wieder herauskommen. Plötzlich sinke ich mit dem linken Bein ein – immer tiefer und tiefer! Ich halte die Luft an wie bei einer Achterbahnfahrt abwärts. Ich versuche die Balance zu halten und kann mich gerade noch an einem herunterhängenden Ast festhalten, sonst hätte es mich von Kopf bis Fuß in das Sumpfloch gezogen. Behutsam ziehe ich mich am Ast wieder in meine Ausgangsposition, atme einmal tief durch und gehe weiter. Ich bin heilfroh, als ich wieder festen Boden unter meinen Füßen habe. Das Fortbewegen beim Jungle Marathon hat stellenweise nichts mehr mit Laufen zu tun: Stolpern, Klettern, Schlittern und Schwimmen sind angesagt. Vergiss jegliche Zeitvorgaben bei diesem Rennen, denn hier bekommt der Faktor Zeit eine ganz neue Dimension. Für einen Kilometer muss man schon einmal mit zwanzig Minuten und mehr rechnen. Auch weil ich meine komplette Ausrüstung bei mir trage, inklusive Essensvorräte für sieben Tage. Ich bin in dieser Woche komplett auf mich selbst gestellt, was die Energiezufuhr anbelangt. Nur Wasser bekommen wir vom Veranstalter bereitgestellt. Das bedeutet insgesamt zwölf Kilogramm an Gewicht, was das Laufen enorm erschwert. Jeder zurückgelegte Meter kostet die doppelte Energie in dieser erbarmungslosen Umgebung.
    Vor mir kann ich den nächsten Checkpoint ausmachen, von dem es auf der heutigen Etappe drei Stück gibt. Meine Trinkblase, die immerhin für drei Liter Flüssigkeit Platz bietet, freut sich, wieder aufgefüllt zu werden. Ich löse eine Salztablette auf, die bei diesem Lauf zur Pflichtausrüstung gehört. Wie selbstverständlich habe ich im Nu einen halben Liter vom Elektrolytgetränk getrunken. Auch heute werde ich wieder bis zu zwölf Liter Flüssigkeit in mich aufnehmen. „Drink or die“, hat es ein Arzt beim letzten Briefing passend auf den Punkt gebracht. An jedem Checkpoint müssen wir eine obligatorische Pause von fünfzehn Minuten einlegen. Wegen dieser brutalen äußeren Bedingungen. Seit sechs Wochen hat es hier nicht mehr geregnet – und das im Regenwald. Die Temperaturen sind dadurch noch einmal um ein paar Grad höher als normalerweise in dieser Jahreszeit. In meiner Vorstellung sehe ich mich in einem großen Schwimmbecken mit eiskaltem Wasser und einer kühlen Cola liegen. Das tut gut. Doch die Realität sieht ganz anders aus: heiß, heißer, Dschungel. Ich esse noch einen Energieriegel und dann geht es weiter – sehr steil bergauf. Die Anstiege, von denen es beim Jungle Marathon einige gibt, erinnern mich von der Schwierigkeit her an die am Mont Blanc oder auf La Réunion. Ich muss mich immer wieder an Ästen und Bäumen abstützen, um voranzukommen. Wie gut, dass ich meine Radhandschuhe angezogen habe, die etwas Schutz vor den unzähligen Dornen, Stacheln und scharfkantigen Blättern bieten. Der Untergrund ist schlammig, lehmig und ein Labyrinth aus Baumwurzeln, Zweigen und Gestrüpp stellt unangenehme Hindernisse dar. Immer wieder rutsche ich aus oder stolpere über eine Wurzel. Wohin ich auch schaue: grün, grün und nochmals grün. Die „grüne Wand“ ist so dicht, dass man keine fünfzig Meter weit sehen kann. Meine Augen, Nase und Ohren erleben hier einen Frontalangriff. Angenehmes Vogelgezwitscher, schrille Schreie und

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