Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Titel: Extrem: Die Macht des Willens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Bücher
Vom Netzwerk:
Wettkampf zu gehen. Täglich trainierte ich für einen großen Lauf. In dieser Zeit war ich häufig erkältet, weil mein Immunsystem aufgrund der hohen Belastungen geschwächt war. Als ich im Jahr 2009 zum dritten Mal den Ultra-Trail Mont Blanc lief, absolvierte ich in der Vorbereitung bewusst ein deutlich geringeres Trainingspensum als in den Vorjahren. Ich wollte einfach für mich herausfinden, ob und wie ich auch mit weniger Training diesen Lauf schaffen würde. Anstatt 150 Kilometer in der Woche lief ich 80 bis maximal 100 Kilometer. Anstatt der „Doppeldecker“-Variante, also einen Marathon am Samstag und Sonntag, begnügte ich mich mit nur einem oder lief auch nur 25 Kilometer. Was glauben Sie, wie der Lauf für mich ausging? Ich lief mit neuer persönlicher Bestzeit dieses Rennen, obwohl ich merklich weniger trainiert hatte als in den Vorjahren. Natürlich muss man sich für ein so anspruchvolles Rennen wie den Ultra-Trail Mont Blanc gezielt und langfristig vorbereiten. Daran führt kein Weg vorbei. Die Frage ist nur: Müssen es immer die maximalen Strecken und das härteste Training sein? Meine Haltung hat sich in dieser Frage geändert. Heute bereite ich mich weiterhin sehr zielstrebig auf einen langen Lauf vor, vor allem im mentalen Bereich. Ich laufe jedoch weniger und habe noch mehr Spaß beim Laufen als in früheren Jahren. Ich absolviere heute auch deutlich weniger Wettkämpfe als noch vor ein paar Jahren. In diesem Kapitel habe ich schon beschrieben, dass ich im Jahr 2007 acht Marathons und acht Ultramarathons im Zeitraum Januar bis August gelaufen bin. Auch in der Saison 2008 mutete ich mir wieder einiges zu. Gleich vier anspruchsvolle und schwierige Läufe standen auf dem Programm: Sächsischer Mount Everest Treppenmarathon (84,4 Kilometer und 8.848 Höhenmeter, 79.400 Treppenstufen), Swiss Jura Marathon (350 Kilometer, 11.000 Höhenmeter, sieben Tage), Ultra-Trail Mont Blanc (166 Kilometer, 9.400 Höhenmeter) und den Grand Raid de la Réunion (150 Kilometer, 9.200 Höhenmeter). Wenn ich mir diese Fakten rückblickend vor Augen führe, dann muss ich sagen, dass es zu viel war.
    Weniger ist häufig mehr. Diesen Satz sage ich mir heute öfter. Auch in der Saison 2010 wollte ich zunächst an die früheren Jahre anknüpfen und mehr Wettkämpfe laufen. Im Mai 2010 durchquerte ich die Atacamawüste in Chile, zu Fuß versteht sich. 600 Kilometer in vierzehn aufeinanderfolgenden Tagen. Dann hatte ich für Anfang August den „Gax“ geplant, einen 246 Kilometer Nonstop-Trail-Lauf in Schweden. Im Oktober wollte ich dann den Jungle Marathon in Brasilien laufen. 222 Kilometer in sechs Etappen. Es standen also drei extreme und sehr anspruchsvolle Wettkämpfe auf meinem Plan. Nach meinem Wüstenlauf hatte ich nur ein paar Wochen Regeneration eingeplant, um dann sofort wieder ins Training für den nächsten großen Wettkampf einzusteigen. Doch als ich von der Atacamawüste wieder zu Hause war, bemerkte ich schnell, dass mein Körper mehr Zeit zur Erholung benötigte. Ich fühlte mich einfach leer und hatte keine Motivation, in den nächsten Wochen und Monaten längere Trainingseinheiten zu absolvieren. Dreißig oder sechzig Minuten entspanntes Laufen, damit war ich zufrieden und glücklich. Das reichte mir vollkommen aus. Insofern war es für mich keine schwierige Entscheidung meine Teilnahme am „Gax“ abzusagen.
    Ich setze mir heute pro Saison nur zwei läuferische Höhepunkte, einen im Frühjahr und einen im Spätherbst. Das reicht mir vollkommen aus. Dazwischen absolviere ich ein paar Marathonläufe oder kürzere Ultramarathons als reines Training, bei denen ich aber in keiner Weise an mein Limit gehe. Mein Erfolgsgeheimnis dabei lautet: langsam laufen. Nicht die Strecke tötet, sondern das Tempo. Die Dosis ist das Gift, so meine Devise. Ich nehme so gut wie an keinem Volkslauf mehr teil. Nicht weil mir diese Art von Veranstaltungen nicht zusagt, sondern weil ich dort schnell laufen müsste. Einen Zehn-Kilometer-Wettkampf am Anschlag zu laufen, geht mir mehr an die Substanz, als wenn ich einen Marathon weiter unter meinen Möglichkeiten laufe. Ich habe sehr schnell bemerkt, dass ich auf einer Mittelstrecke meine Stärken nicht voll ausspielen kann. Je länger die Strecke, umso wohler fühle ich mich, weil es bei den ultralangen Strecken nicht so sehr auf das Tempo ankommt. Ein langsames und gleichmäßiges Laufen über Stunden dominiert bei dieser Laufdisziplin. Langsam bedeutet für mich:

Weitere Kostenlose Bücher