Extrem laut und unglaublich nah
Walkie-Talkie in die andere. »Wie wäre es mit einer tragbaren Hosentasche? Over.« »Eine tragbare Hosentasche? Over.« »Ja. So ähnlich wie eine Socke, aber mit einem Klettband außen, damit man sie überall dranmachen kann. Sie wäre natürlich nicht wie eine Tragetasche, weil sie zur Kleidung gehörte, und eigentlich wäre es gar keine richtige Hosentasche, weil sie außen säße und man sie abmachen könnte, was viele Vorteile hätte, zum Beispiel, dass es leichter ist, seinen Kram umzuräumen, wenn man sich umzieht, und dass man größere Sachen mitnehmen kann, weil die Tasche ja abnehmbar und ziemlich tief ist. Over.« Sie legte sich eine Hand auf das Nachthemd, dorthin, wo ihr Herz schlug, und sagte: »Hört sich große Klasse an. Over.« »Eine tragbare Tasche würde verhindern helfen, dass man sich zu oft die Finger an zu kurzen Streichhölzern verbrennt«, sagte ich, »und auch, dass man zu oft trockene Lippen wegen zu kurzer Labellos hat. Und überhaupt – warum sind Schokoriegel so kurz? Hast du etwa je einen Schokoriegel gegessen, ohne danach noch mehr zu wollen? Over.« »Ich mag keine Schokolade«, sagte sie, »aber ich weiß, was du meinst. Over.« »Die Kämme könnten auch länger sein, sodass der Scheitel schnurgerade wäre, und es würde größere Mandys ge ben…« »Mandys?«»Handys für Männer.«»Ja, natürlich.« »Und größere Mandys sind leichter zu halten, vor allem, wenn man so dicke Finger hat wie ich, und wahrscheinlich könnte man die Vögel, die einen retten, sogar darauf dressieren, ihren Scheibenkleister in die tragbare Hosentasche zu machen …« »Wie meinst du das?« »Wenn du dein Vogelfutter-Hemd trägst.«
»Oskar? Over.« »Mir geht es gut. Over.« »Was ist los mit dir, mein Schatz? Over.« »Wie meinst du das, was mit mir los ist? Over.« »Was ist los mit dir? Over.« »Ich vermisse Dad. Over.« »Ich vermisse ihn auch. Over.« »Ich vermisse ihn sehr. Over.« »Ich auch. Over.« »Die ganze Zeit. Over.« »Die ganze Zeit. Over.« Ich konnte ihr nicht erklären, dass ich ihn mehr ver misste, mehr als sie oder irgendjemand sonst, weil ich ihr nichts vom Telefon erzählen konnte. Dieses Geheimnis war wie ein Loch in meinem Inneren, das jedes noch so kleine bisschen Freude verschluckte. »Habe ich dir je erzählt, dass Opa, selbst, wenn er es eilig hatte, bei jedem Tier angehalten hat, um es zu streicheln? Over.« »Das hast du mir gugolplex viele Male erzählt. Over.« »Oh. Und dass seine Hände von der Bildhauerei so rau und rot waren, dass ich ihn manchmal ge neckt habe und sagte, in Wahrheit würden die Skulpturen sei ne Hände formen und nicht umgekehrt? Over.« »Das auch. Aber du kannst es mir gern nochmal erzählen, wenn du magst. Over.« Sie erzählte es mir nochmal.
Unten auf der Straße fuhr ein Rettungswagen vorbei, und ich versuchte mir vorzustellen, wer darin lag und was ihm passiert sein konnte. Hatte er sich den Fuß gebrochen, als er auf seinem Skateboard irgendein tolles Kunststück ausprobiert hatte? Oder lag er im Sterben, weil er an neunzig Prozent seines Körpers Verbrennungen dritten Grades erlitten hatte? Kannte ich ihn? Fragte sich jemand, der den Rettungswagen sah, ob ich darin lag?
Wie wäre es mit einem Gerät, das alle Menschen erkennt, die einen kennen? Wenn dann ein Rettungswagen auf der Straße vorbeifährt, könnte auf dem Dach groß angezeigt werden
KEINE SORGE ! KEINE SORGE !
wenn das Gerät des Kranken in der Nähe keine Geräte von Bekannten ortet. Und wenn das Gerät doch das Gerät eines Bekannten ortet, würde der Rettungswagen den Namen des Kranken und den Satz
ES IST NICHTS ERNSTES ES IST NICHT S ERNSTES
anzeigen, oder, wenn es doch etwas Ernstes ist,
ES IST ETWAS ERNSTES! ES IST ETWA S ERNSTES !
Vielleicht könnte man seine Bekannten ja auch in eine Rang folge bringen, je nachdem, wie sehr man sie mag, und wenn das Gerät des Kranken das Gerät des Menschen ortet, den er am meisten liebt oder von dem er am meisten geliebt wird, und wenn die Person im Rettungswagen richtig schlimm ver letzt ist und vielleicht sogar in Todesgefahr schwebt, würde der Rettungswagen Folgendes anzeigen:
MACH’S GUT! ICH LIEBE DICH! MACH’S GUT ICH LIEBE DICH! !
Schön ist auch der Gedanke, dass die Person im Rettungs wagen bei vielen Menschen ganz oben auf der Liste steht, und wenn die Person dann im Sterben liegt und der Rettungs wagen durch die Straßen zum Krankenhaus rast, würde er die ganze Zeit anzeigen:
MACH’S GUT! ICH LIEBE
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