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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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wenn ich Kinder hatte. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie machte mich das wütend.
    Wie auch immer – ich tat neue Batterien in die beiden Walkie-Talkies, und ich dachte, es wäre vielleicht lustig, wenn Oma und ich uns damit unterhielten. Ich gab ihr das Walkie-Talkie fürs Baby, damit sie keine Probleme mit irgendwelchen Tasten hatte, und es klappte super. Nach dem Aufwachen wünschte ich ihr einen guten Morgen. Und bevor ich zu Bett ging, spra chen wir meist noch miteinander. Sie wartete immer am an deren Ende auf mich. Ich habe keine Ahnung, wie sie wissen konnte, wann ich da war. Vielleicht wartete sie einfach den ganzen Tag auf mich.
    »Oma? Kannst du meine Gedanken lesen?« »Oskar?« »Ich bin okay. Over.« »Wie hast du geschlafen, mein Schatz? Over.« »Was? Das habe ich nicht verstanden. Over.« »Ich habe gefragt, wie du geschlafen hast. Over.« »Gut«, sagte ich immer, das Kinn auf eine Hand gestützt, und schaute zu ihr hinüber, »keine Albträume. Over.« »Große Klasse. Over.« Wir haben uns nie besonders viel zu sagen. Sie erzählt mir immer wieder die gleichen Geschichten von Opa, zum Beispiel dass seine Hände ganz rau von der vielen Bildhauerei waren und dass er mit den Tieren sprechen konnte. »Besuchst du mich heute Nachmittag? Over.« »Ja. Ich glaube schon. Over.« »Versuch’s bitte. Over.« »Ich versuche es. Over und Ende.«
    An manchen Abenden nahm ich das Walkie-Talkie mit ins Bett und legte es neben mein Kopfkissen auf die Seite, wo sich Buckminster nicht zusammenrollte, damit ich hören konnte, was in Omas Schlafzimmer los war. Manchmal weckte sie mich mitten in der Nacht. Ich bekam Bleifüße wegen ihrer Alb träume, denn ich wusste ja nicht, was sie träumte, und ich konnte ihr auch nicht helfen. Ich wurde von ihren Schreien ge weckt, sodass mein Schlaf von ihrem Schlaf abhing, und wenn ich zu ihr sagte: »Keine schlechten Träume«, dann ging es mir um sie.
    Oma strickte mir weiße Pullover, weiße Fäustlinge und weiße Mützen. Sie wusste, wie gern ich dehydrierte Eiscreme mochte, eine der sehr wenigen Ausnahmen, die ich mir als strenger Veganer gestatte, und das auch nur, weil die Astronau ten sie zum Nachtisch essen. Also ging sie zum Hayden-Pla netarium und kaufte mir welche. Sie sammelte hübsche Steine für mich auf, obwohl sie eigentlich nicht schwer tragen durfte, und meist war es sowieso nur der Schiefer aus Manhattan. Als ich ein paar Tage nach dem allerschlimmsten Tag zum ersten Mal zu Dr. Fein ging, sah ich, wie Oma einen riesigen Stein-brocken über den Broadway schleppte. Er war so groß wie ein Baby und wog bestimmt fast eine Tonne. Aber sie schenkte ihn mir nicht, und sie erzählte auch nie davon.
    »Oskar.«
    »Ich bin okay.«
    Eines Nachmittags erzählte ich Oma, dass ich vielleicht ganz gern Briefmarken sammeln würde, und am nächsten Nachmittag hatte sie nicht nur drei Alben für mich, sondern auch – »Weil ich dich so liebe, dass es wehtut, und weil ich möchte, dass deine wunderbare Sammlung einen wunderbaren Anfang hat« – einen Briefmarkenbogen, der große amerikanische Erfinder zeigte.
    »Du hast Thomas Edison«, sagte sie und zeigte auf eine der Briefmarken,»und Ben Franklin, Henry Ford, Eli Whitney, Ale xander Graham Bell, George Washington Carver, Nikola Tes la, wer immer das sein mag, die Gebrüder Wright, J. Robert Oppenheimer …« »Wer ist das?« »Er hat die Bombe erfun den.« »Welche Bombe?« » Die Bombe.« »Dann war er kein großer Erfinder!« Sie sagte: »Groß schon, aber nicht gut.«
    »Oma?« »Ja, mein Schatz?« »Wo ist denn der Plattennum merblock?« »Der was?« »Der Streifen am Rand, auf dem die Nummern stehen.« »Auf dem die Nummern stehen?« »Ja.« »Den habe ich weggeworfen.« »Du hast was gemacht?« »Ich habe ihn weggeworfen. War das falsch?« Ich hatte das Gefühl, gleich ausflippen zu müssen, riss mich aber mächtig zusam men. »Ja, schon, denn ohne den Plattennummerblock sind sie nichts mehr wert!« »Bitte?« »Der PLATTENNUMMER BLOCK ! Diese Briefmarken. Sind. Wertlos !« Sie starrte mich ein paar Sekunden an. »Ja«, sagte sie. »Ich glaube, davon habe ich gehört. Dann gehe ich morgen zum Briefmarkenladen und kaufe dir die Reihe noch einmal. Diese hier können wir auf Briefe kleben.« »Du musst mir keine neuen kaufen«, sagte ich, weil ich meine letzten Worte zurücknehmen und netter sein wollte, ein besserer Enkel, vielleicht auch nur einer, der ab und zu den Mund halten konnte. »Doch, das muss ich,

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