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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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wird, eine Energie, ähnlich wie die der Batterien für die Taschenlampe im Flurschrank, die zur Ausrüstung für Notfälle gehört, »Zeig es niemand anderem«, sagte ich ihr am Morgen, als sie mir ihr Manuskript zum ersten Mal zeigte, vielleicht wollte ich sie durch diese Bitte schützen, vielleicht auch mich selbst, »Bis es ganz fertig ist, bleibt es unser Geheimnis. Wir arbeiten gemeinsam daran. Wir machen das größte Buch aller Zeiten daraus.« »Meinst du wirklich?«, fragte sie, draußen fielen Blätter von den Bäumen, drinnen dachten wir über solche Tatsachen gar nicht mehr nach, »Natürlich«, sagte ich, indem ich sie am Arm berührte, »Wenn wir uns nur genug Mühe geben.« Sie streckte die Hände aus und fand mein Gesicht, sie sagte: »Ich werde darüber schreiben.« Seit dem Tag habe ich sie immer ermutigt, habe sie gebeten, mehr zu schreiben, noch tiefer zu schürfen, »Beschreib sein Gesicht«, sage ich zu ihr und fahre mit der Hand über die leere Seite, und dann, am nächsten Morgen: »Beschreib seine Augen«, und dann, indem ich die Seite vor das Fenster halte und Licht hindurchscheinen lasse, »Beschreib seine Iris«, und dann, »Seine Pupillen.« Sie fragt nie: »Wessen?« Sie fragt nie: »Warum?« Geht es auf diesen Seiten um meine Augen? Ich sah den linken Stapel aufs Doppelte und Vierfache anwachsen, ich hörte von Nebensächlichkeiten, die zu Abschweifungen wurden, die zu Absätzen wurden, die zu Kapiteln wurden, und da sie es mir erzählt hat, weiß ich, dass der einstige zweite Satz inzwischen der vorletzte ist. Vor zwei Tagen erzählte sie mir, dass ihre Lebensgeschichte schneller verlaufe als ihr Leben, »Wie meinst du das?«, fragte ich mit den Händen, »Mein Leben ist so langweilig«, sagte sie, »und mein Gedächtnis ist so gut.« »Könntest du auch über den Laden schreiben?« »Ich habe jeden Diamanten im Koffer beschrieben.« »Du könntest über andere Menschen schreiben.« »Die Geschichte meines Lebens ist die Geschichte aller Menschen, denen ich je begegnet bin.« »Du könntest über deine Gefühle schreiben.« Sie fragte: »Sind mein Leben und meine Gefühle nicht das Gleiche?«

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Ich habe dir so viel zu erzählen, aber mir läuft die Zeit davon, mir geht der Platz aus, dieses Buch ist bald voll, es könnte gar nicht genug Seiten haben, heute Morgen habe ich mich zum letzten Mal in der Wohnung umgeschaut, überall stand etwas geschrieben, auf den Wänden und den Spiegeln, ich hatte die Teppiche aufgerollt, um auf dem Fußboden schreiben zu können, ich hatte auf die Fensterscheiben und die Etiketten der Weinflaschen geschrieben, die wir geschenkt bekommen, aber nie getrunken hatten, ich trage nur kurzärmelige Hemden, selbst bei Kälte, weil auch meine Arme Bücher sind. Aber es gibt zu viel zu erzählen. Es tut mir Leid. Genau das wollte ich dir eigentlich sagen: Alles tut mir Leid. Mir tut Leid, mich von Anna verabschiedet zu haben, obwohl ich sie und unsere gemeinsame Zukunft vielleicht hätte retten, zumindest aber mit ihr hätte sterben können. Mir tut Leid, dass ich Unwichtiges nicht loslassen kann, dass ich mich nicht auf das Wesentliche konzentrieren kann. Mir tut Leid, was ich dir und deiner Mutter jetzt antun werde. Mir tut Leid, dass ich nie dein Gesicht sehen, dich nie füttern, dir nie Gute-Nacht-Geschichten erzählen werde. Ich habe auf meine Art versucht, mich zu erklären, aber wenn ich an die Lebensgeschichte deiner Mutter denke, ist mir klar, dass ich gar nichts erklärt habe, im Grunde sind wir beide gleich, ich habe ebenfalls Nichts geschrieben. »Die Widmung«, sagte sie heute früh zu mir, vor wenigen Stunden, als ich zum letzten Mal ins Gästezimmer ging, »Lies sie.« Ich legte ihr die Finger auf die Lider und öffnete ihre Augen weit genug, um ihr alles Mögliche mitteilen zu können, ich war drauf und dran, sie zu verlassen, ohne mich von ihr zu verabschieden, einer Ehe der Millimeter und Regeln den Rücken zu kehren, »Findest du es zu pathetisch?«, fragte sie und brachte mich damit wieder auf ihre unsichtbare Widmung, ich berührte sie mit der rechten Hand, ich wusste nicht, wem sie ihre Lebensgeschichte gewidmet hatte, »Findest du es lächerlich?« Ich berührte sie mit der rechten Hand, ich vermisste sie jetzt schon, ich überlegte mir die Sache zwar nicht anders, aber ich kam kurz ins Schwanken, »Du findest es doch nicht eitel, oder?« Ich berührte sie mit der rechten Hand,

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