Extrem laut und unglaublich nah
er und klang wie Mom.
Ada Black besaß zwei Gemälde von Picasso. Sie wusste nichts über den Schlüssel, und darum waren mir die Gemälde piepschnurzegal, obwohl ich wusste, dass sie berühmt waren. Sie sagte, ich dürfe mich gern aufs Sofa setzen, aber ich erwi derte, dass ich nicht an Leder glaube, und blieb stehen. So eine irre Wohnung hatte ich noch nie gesehen. Die Fußböden gli chen Schachbrettern aus Marmor, und die Decken glichen Torten. Alles machte den Eindruck, als gehörte es ins Mu seum, und deshalb machte ich ein paar Fotos mit Opas Kame ra. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber sind Sie der reichste Mensch der Welt?« Sie fasste nach einem Lampenschirm und sagte: »Auf der Rangliste der reichsten Menschen der Welt bin ich die Nummer 467.«
Ich fragte sie, was sie angesichts der Tatsache empfinde, dass Obdachlose und Millionäre in der gleichen Stadt lebten. Sie sagte: »Ich spende viel Geld für wohltätige Zwecke, wenn du darauf hinauswillst.« Ich erwiderte, ich wolle auf gar nichts hinaus, sondern nur wissen, was sie fühle. »Ich fühle mich prima«, sagte sie und fragte mich, ob ich etwas trinken wolle. Ich bat sie um einen Kaffee, und sie bat jemanden im Nebenzim mer um einen Kaffee, und dann fragte ich, ob sie auch der Meinung sei, dass niemand mehr als eine bestimmte Summe Geld haben sollte, bevor nicht alle anderen dieselbe Summe hätten. Diese Idee hatte ich von Dad. Sie sagte: »Die Upper West Side ist auch nicht gerade billig, finde ich.« Ich fragte sie, woher sie wisse, dass ich an der Upper West Side wohnte. »Besitzt du überflüssige Sachen?« »Eigentlich nicht.« »Aber du sammelst Münzen?« »Woher wissen Sie, dass ich Münzen sammele?« »Viele junge Menschen sammeln Münzen.« Ich sagte zu ihr: »Ich brauche sie.« »Brauchst du sie genauso dringend, wie ein Obdachloser etwas zu essen braucht?« Allmählich begann mich das Gespräch zu irritieren. Sie sagte: »Gibt es mehr Sachen, die du brauchst, oder mehr Sachen, die du nicht brauchst?« Ich sagte: »Hängt davon ab, was man unter ›brauchen‹ versteht.«
Sie sagte: »Ob du es glaubst oder nicht, aber früher war ich noch idealistisch.« Ich fragte sie nach der Bedeutung von ›ide alistisch‹. »Es bedeutet, dass du ein möglichst guter Mensch zu sein versuchst.« »Und das tun Sie nicht mehr?« »Es gibt be stimmte Fragen, die stelle ich nicht mehr.« Eine Afro-Ameri kanerin servierte mir den Kaffee auf einem silbernen Tablett. Ich sagte zu ihr: »Ihre Uniform ist unglaublich schön.« Sie sah Ada an. »Wirklich«, sagte ich. »Ich finde, das Hellblau steht Ih nen ausgezeichnet.« Sie sah weiter Ada an. Ada sagte: »Danke, Gail.« Als die Frau wieder in die Küche ging, sagte ich: »Gail ist ein schöner Name.«
Sobald wir allein waren, sagte Ada: »Oskar, ich glaube, du hast Gail in eine unangenehme Situation gebracht.« »Wie meinen Sie das?« »Es war ihr peinlich.« »Ich wollte doch nur nett sein.« »Vielleicht hast du übertrieben.« »Aber wie kann man übertrieben nett sein?« »Du warst arrogant.« »Was heißt das?« »Du hast mit ihr geredet wie mit einem Kind.« »Nein, habe ich nicht.« »Hausangestellte zu sein ist nicht schlimm. Sie hat einen anständigen Job, und ich bezahle sie gut.« Ich sagte: »Ich wollte doch nur nett sein.« Und dann fragte ich mich: Habe ich ihr gesagt, dass ich Oskar heiße?
Wir saßen eine Weile da. Sie starrte aus dem Fenster, als wartete sie auf irgendein Ereignis im Central Park. Ich frag te: »Darf ich ein bisschen in Ihrer Wohnung herumschnüf feln?« Sie lachte und sagte: »Endlich mal jemand, der sagt, was er denkt.« Ich sah mich ein bisschen um, und es gab so viele Zimmer, dass ich mich fragte, ob die Wohnung innen grö ßer war als außen. Aber ich fand keine Hinweise. Als ich wie der zurückkam, fragte sie mich, ob ich ein Finger-Brot wolle, und das brachte mich fast um, aber ich blieb höflich und sagte nur: »Hammerhart!« »Wie bitte?« »Hammerhart.« »Was soll das heißen?« »So etwa ›Auf keinen Fall‹.« Sie sagte: »Ich weiß, was ich bin.« Ich nickte, obwohl ich keine Ahnung hatte, was sie meinte oder wo der Zusammenhang bestand. »Selbst wenn ich nicht mag, was ich bin, weiß ich doch, was ich bin. Meine Kinder mögen, was sie sind, aber sie wissen nicht, was sie sind. Sag mir, was du schlimmer findest.« »Was sind nochmal die beiden Möglichkeiten?« Sie musste lachen und sagte: »Ich mag dich.«
Ich zeigte ihr den Schlüssel, aber sie hatte
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