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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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ihn noch nie ge sehen und konnte mir nichts dazu erzählen.
    Obwohl ich ihr gesagt hatte, ich brauchte keine Hilfe, nahm sie dem Portier das Versprechen ab, mich in ein Taxi zu setzen. Ich sagte ihr, ich könne mir kein Taxi leisten. Sie sagte: »Ich aber.« Ich gab ihr meine Karte. Sie sagte: »Viel Glück«, und sie legte mir die Hände auf die Wangen und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
    Das war der Samstag, und er war deprimierend.
    Lieber Oskar Schell,
    wir bedanken uns für Ihre Spende für die American Diabetes Foundation. Jeder Dollar zählt, sogar – wie in Ihrem Fall – jeder halbe Dollar.
    Ich füge diesem Brief weiteres Informa tionsmaterial über die Stiftung bei, unter anderem unser Grundsatzprogramm, eine Broschüre über unsere vergangenen Aktivi täten und Erfolge sowie eine Beschreibung unserer zukünftigen Ziele, sowohl kurz-als auch langfristig.
    Nochmals vielen Dank für Ihren Bei trag zu diesem dringenden Anliegen. Sie helfen, Leben zu retten.
    Dankbar,
Patricia Roxbury
Präsidentin, Ortsgruppe New York
    Man mag es kaum glauben, aber der nächste Black wohnte in unserem Haus, nur ein Stockwerk über uns. Unfassbar, aber wahr. Ich ging nach unten in die Lobby und fragte Stan nach dem Bewohner von 6a. Er sagte: »Habe nie jemanden hin ein- oder hinausgehen sehen. Nur jede Menge Lieferungen und jede Menge Müll.« » Cool .« Er bückte sich und flüster te: »Da spukt es.« Ich erwiderte im Flüsterton: »Ich glaube nicht an übernatürliche Phänomene.« Er sagte: »Gespenstern ist es wurscht, ob du an sie glaubst oder nicht«, und obwohl ich Atheist war, wusste ich, dass er sich irrte.
    Ich ging die Treppen wieder hinauf, diesmal an unserem Stockwerk vorbei bis zum sechsten. Vor der Tür lag eine Matte, die den Besucher in zwölf Sprachen willkommen hieß. So etwas legt sich kein Gespenst vor die Wohnung. Ich probierte den Schlüssel aus, und da er nicht ins Schloss passte, drückte ich die Klingel, die genau an derselben Stelle saß wie unsere Klingel. Ich hörte drinnen Geräusche, vielleicht sogar unheimliche Musik, aber ich blieb tapfer stehen.
    Nach einer unglaublich langen Zeit tat sich die Tür auf. »Kann ich etwas für dich tun!«, fragte mich ein alter Mann, und er fragte so laut, dass es eher ein Schrei als eine Frage war. »Ja. Hallo«, sagte ich.»Ich wohne unten in der 5a. Dürfte ich Ihnen vielleicht ein paar Fragen stellen?« »Hallo, junger Mann!«, sag te er, und er sah irgendwie krass aus, denn er trug ein rotes Ba rett wie manche Leute in Frankreich und eine Augenklappe wie ein Pirat. Er sagte: »Ich bin Mr Black!« Ich sagte: »Ich weiß.« Er machte kehrt und ging in seine Wohnung. Da ich annahm, dass ich ihm folgen sollte, folgte ich ihm.
    Krass war auch, dass seine Wohnung hundertprozentig der unseren glich. Sie hatte die gleichen Fußböden, die gleichen Fensterbänke, ja selbst die gleichen grünen Kaminkacheln. Aber sie war auch völlig anders, weil anderes Zeug darin stand. Tonnenweise Zeug. Überall. Außerdem gab es mitten im Ess zimmer eine große Säule. Sie war so groß wie zwei Kühl schränke und stand so im Weg, dass man keinen Tisch oder ir gendwelche anderen Möbel ins Zimmer stellen konnte wie bei uns. »Wofür ist die?«, fragte ich, doch er hörte mich nicht. Auf dem Kaminsims standen haufenweise Puppen und ande rer Krimskrams, und auf dem Fußboden lagen viele kleine Läufer. Er zeigte auf ein Schwert an der Wand und sagte: »Das habe ich aus Japan!« Ich fragte ihn, ob es ein Samurai-Schwert sei. Er sagte: »Ist eine Replik!« Ich sagte: » Cool .«
    Er führte mich zum Küchentisch, der an der gleichen Stelle stand wie unser Küchentisch, und er setzte sich und klatschte sich mit der flachen Hand aufs Knie. »Tja!«, sagte er so laut, dass ich mir am liebsten die Ohren zugehalten hätte. »Ich hatte schon ein ziemlich abenteuerliches Leben!« Ich fand es krass, dass er das sagte, denn ich hatte ihn ja gar nicht nach seinem Leben gefragt. Und die Gründe meines Besuchs hatte ich ihm auch noch nicht erläutert. »Ich bin am 1. Januar 1900 geboren worden! Ich habe jeden Tag des zwanzigsten Jahrhunderts erlebt!« »Echt wahr?« »Meine Mutter hat meine Geburtsurkunde gefälscht, damit ich im Ersten Weltkrieg kämpfen konnte! Das war die einzige Lüge ihres Lebens! Ich war mit Fitzgeralds Schwester verlobt!« »Wer ist Fitzgerald?« »Francis Scott Key Fitzgerald, mein Junge! Ein großer Schriftsteller! Ein großer Schriftsteller!« »Oh.« »Ich habe

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