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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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»Juwelen?« »Klar«, sagte ich, »ein paar Juwelen brauche ich doch auch.«
    Wir mussten beide lachen, und das war notwendig, damit sie mich wieder lieb hatte. Ich zog mein Gefühlslagen-Buch un ter dem Kopfkissen hervor, schlug die aktuelle Seite auf und stufte VERZWEIFELT zu BEDRÜCKT herab. »Hey, das ist ja super!«, sagte Mom, die mir über die Schulter schaute. »Nein«, sagte ich, »das ist bedrückt. Und bitte nicht über die Schulter gu cken.« Sie rieb mir die Brust, und das war schön, obwohl ich mich ein bisschen zur Seite drehen musste, damit sie nicht merkte, dass ich noch den Schlüssel um den Hals trug und dass es zwei Schlüssel waren.
    »Mom?« »Ja?« »Nichts.«
    »Was hast du, mein Schatz?« »Ach, ich fände es nur toll, wenn Matratzen Ausbuchtungen für die Arme hätten, damit es ge nau passt, wenn man sich auf die Seite dreht.« »Ja, das wäre schön.« »Und vermutlich auch gut für den Rücken, weil das Rückgrat dann gerade wäre, und ich weiß, dass das wichtig ist.« »Das ist wichtig.« »Man könnte sich dann auch besser ein kuscheln. Denn sonst kommt einem doch immer ein Arm in die Quere.« »Stimmt.« »Und dass man sich besser einkuscheln kann, ist wichtig.« »Sehr.«
BEDRÜCKT
OPTIMISTISCH, ABER REALISTISCH
    »Ich vermisse Dad.« »Ich auch.« »Wirklich?« »Natürlich. Was denkst du denn?« »Vermisst du ihn denn richtig ?« »Wieso fragst du das?« »Du verhältst dich einfach nicht so, als würdest du ihn richtig vermissen.« »Wovon redest du?« »Du weißt doch ge nau, wovon ich rede.« »Nein, weiß ich nicht.« »Ich höre dich immer lachen.« »Du hörst mich lachen?« »Im Wohnzimmer. Mit Ron.« »Du glaubst, dass ich Dad nicht vermisse, nur weil ich ab und zu lache?« Ich drehte mich von ihr weg auf die an dere Seite.
OPTIMISTISCH, ABER REALISTISCH
EXTREM DEPRIMIERT
    Sie sagte: »Ich weine auch ziemlich oft.« »Davon merke ic h nichts.« »Vielleicht liegt es daran, dass ich es dir lieber nich t zeige.« »Warum nicht?« »Weil es für uns beide unfair wäre. «
    »Nein, wäre es nicht.« »Ich möchte, dass wir nach vorn schau en.« »Wie viel weinst du?« »Wie viel?« »Einen Löffel voll? Eine Tasse? Eine Badewanne? Wenn du alles zusammenzählst.« »So kann man das nicht messen.« »Wie dann?«
    Sie sagte: »Ich versuche irgendwie, glücklich zu sein. Lachen macht mich glücklich.« Ich sagte: »Ich versuche nicht, glück lich zu sein, und ich werde es auch nicht sein.« Sie sagte: »Soll test du aber.« »Warum?« »Weil Dad bestimmt gewollt hätte, dass du glücklich bist.« »Dad hätte gewollt, dass ich ihn in Er innerung behalte.« »Warum kannst du ihn nicht in Erinnerung behalten und glücklich sein?« »Warum bist du in Ron ver liebt?« »Was?« »Du bist doch offensichtlich in ihn verliebt, und ich will wissen, warum. Was ist so toll an ihm?« »Bist du schon mal auf den Gedanken gekommen, dass alles viel komplizier ter ist, als es den Anschein hat, Oskar?« »Der Gedanke kommt mir ständig.« »Ron ist ein Freund .« »Dann versprich mir, dass du dich nie mehr verliebst.« »Ron macht auch eine Menge durch, Oskar. Wir helfen uns gegenseitig. Wir sind befreundet .« »Versprich mir, dass du dich nie mehr verliebst.« »Warum soll ich dir das versprechen?« »Entweder, du versprichst mir, dich nie mehr zu verlieben, oder ich liebe dich nicht mehr.« »Du bist unfair.« »Ich muss nicht fair sein! Ich bin dein Sohn!« Sie seufzte unglaublich tief und sagte: »Du erinnerst mich so an Dad.« Und dann rutschte mir etwas heraus, das ich gar nicht hatte sagen wollen. Ich bereute die Worte schon beim Aus sprechen, weil sie vielleicht mit Dads Asche vermischt waren, die ich bei unserem Besuch bei Ground Zero eingeatmet hat te. »Wenn ich die Wahl gehabt hätte, wärst du es gewesen!«
    Sie starrte mich eine Sekunde an, stand dann auf und ging aus dem Zimmer. Ich wünschte, sie hätte die Tür zugeknallt, aber sie tat es nicht. Sie schloss sie so vorsichtig wie immer. Ich konnte hören, dass sie nicht davonging.
EXTREM DEPRIMIER T
UNGLAUBLICH ALLEIN
    »Mom?«
    Nichts. Ich stieg aus dem Bett und ging zur Tür.
    »Ich nehme es zurück.«
    Sie sagte nichts, aber ich konnte sie atmen hören. Ich griff nach dem Türknauf, weil ich dachte, dass sie vielleicht den an deren hielt.
    »Ich habe gesagt, dass ich es zurücknehme.«
    »So etwas kann man nicht zurücknehmen.«
    »Kann man sich für so etwas entschuldigen?«
    Nichts.
    »Nimmst du meine Entschuldigung

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