Extrem laut und unglaublich nah
hatte aber nicht nach Kalifornien gewollt, weil es zu dicht bei seiner Heimat lag, und Schauspieler zu werden hat schließlich den Sinn, sich in jemand anderen zu verwandeln.
Alice Black war irrsinnig nervös, weil sie in einem Gebäude wohnte, dass für industrielle Zwecke gedacht war und in dem eigentlich niemand wohnen durfte. Bevor sie uns die Tür öff nete, mussten wir ihr schwören, nicht vom Wohnungsamt zu sein. Ich sagte: »Ich schlage vor, dass Sie uns durch den Spion in Augenschein nehmen.« Das tat sie, und dann sagte sie: »Ach, du bist das«, was ich krass fand, und dann ließ sie uns rein. Ihre Hände waren schwarz von Holzkohle, und überall gab es Bil der, und alle zeigten denselben Mann. »Sind Sie vierzig?« »Ich bin einundzwanzig.« »Ich bin neun.« »Ich bin einhundertdrei.« Ich fragte sie, ob sie die Bilder selbst gezeichnet habe. »Ja.« »Alle?« »Ja.« Ich fragte sie nicht, wer der Mann auf den Bildern war, weil ich Angst hatte, dass mir die Antwort Bleifüße ma chen könnte. So oft zeichnete man jemanden nur, wenn man ihn liebte und vermisste. Ich sagte zu ihr: »Sie sind irrsinnig schön.« »Danke.« »Können wir uns küssen?« Mr Black stieß mich mit dem Ellbogen in die Seite und fragte sie: »Wissen Sie etwas über diesen Schlüssel?«
Lieber Oskar Schell,
ich antworte stellvertretend für Dr. Kaley, die zurzeit auf einer Forschungsexpedition im Kongo unterwegs ist. Sie hat
mich gebeten, Ihnen auszurichten, wie sehr sie sich über Ihre Begeisterung über ihre Arbeit mit den Elefanten freut. Da ich
bereits als ihr Assistent tätig bin – und da die Mittel, wie Sie aus eigener Erfahrung wissen werden, knapp bemessen sind –, ist sie augenblicklich nicht in der Lage, einen weiteren Assistenten zu beschäftigen. Trotzdem hat sie mich gebeten, Ihnen mitzuteilen, dass sie für den nächsten Herbst ein Projekt im Sudan plant, bei dem sie Hilfe gebrauchen könnte, sofern Sie weiterhin interessiert und abkömmlich sein sollten. (Die Anträge auf Fördermittel werden soeben geprüft.)
Bitte schicken Sie uns Ihren Lebenslauf mit Angaben über Ihre bisherigen For schungsprojekte, Kopien Ihrer Abschlussar beit und Dissertation sowie zwei Empfeh lungsschreiben.
Mit besten Wünschen, Gary Franklin
Allen Black lebte an der Lower East Side und arbeitete als Portier in einem Gebäude in Central Park South, und dort machten wir ihn auch ausfindig. Er sagte, er hasse seinen Job als Portier, weil er damals in Russland Ingenieur gewesen sei und seine Gehirnzellen jetzt abstürben. Er zeigte uns einen kleinen, tragbaren Fernseher, den er in der Tasche hatte.»Er ist auch für DVDs«, sagte er, »und wenn ich eine E-Mail-Adresse hätte, könnte ich meine Mails damit abholen.« Ich sagte ihm, dass ich ihm E-Mail einrichten könne, wenn er wolle. Er sagte: »Ja?« Ich nahm seinen Apparat, den ich zwar nicht kannte, aber ziemlich schnell kapierte, und ich richtete ihm alles ein. Ich fragte: »Welchen Benutzernamen möchten Sie?« Ich schlug ihm »Allen« vor oder »Allen Black« oder einen Spitznamen. »Oder einfach ›Ingenieur‹. Das wäre cool.« Er legte sich einen Finger auf den
Schnurrbart und dachte nach. Ich fragte ihn, ob er Kinder habe. Er sagte: »Einen Sohn. Er ist bald größer als ich. Größer und klüger. Er wird ein hervorragender Arzt werden. Ein Ge hirnchirurg. Oder Richter am Supreme Court.« »Sie könnten natürlich auch den Namen Ihres Sohnes nehmen, obwohl das ein bisschen verwirrend wäre.« Er sagte: »Portier.« »Wie bitte?« »Nimm ›Portier‹.« »Sie haben freie Wahl.« »Portier.« Ich gab ihm den Benutzernamen »Portier215«, weil es schon 214 Por tiers gab. Als wir gingen, sagte er: »Viel Glück, Oskar.« Ich fragte ihn: »Woher wissen Sie denn, dass ich Oskar heiße?« Mr Black sagte: »Du hast es ihm doch erzählt.« Als ich nachmit tags wieder zu Hause war, schickte ich ihm eine Mail: »Sehr schade, dass Sie nichts über den Schlüssel wissen, aber es hat mich trotzdem gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Lieber Oskar,
deine Ausdrucksweise zeigt, dass du ein intelligenter, junger Mann bist, aber da ich dir nie begegnet bin und nicht weiß, wie weit deine Erfahrung in wissenschaftlicher Forschungsarbeit reicht, ist es mir äußerst schwer gefallen, eine Empfehlung für dich zu schreiben.
Vielen Dank für deine freundlichen Worte zu meiner Arbeit und viel Glück für deine Projekte, sowohl wissenschaftlich als auch sonst.
Mit sehr herzlichen
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