Exzession
zu lachen, und er verging ohnehin,
als ihr Kind in ihrem Bauch strampelte, als ob der Gedanke es dazu
angeregt hätte. Sie drückte sich eine Hand auf den Bauch.
»Ja«, sagte Amorphia und nickte heftig. »Es wäre
sehr gut, wenn du an Bord bliebest… Aus dem Ganzen
könnte etwas Gutes entstehen.« Er saß da, starrte sie
an und schnaufte schwer vor Erregung.
»Dann wäre es wohl besser, ich würde bleiben,
wie?« sagte Dajeil, immer noch in einem ruhigen, leisen Ton.
»Ja«, sagte der Awatara. »Ja, daran wäre mir
sehr gelegen. Danke.« Er erhob sich plötzlich, als ob er
von einer inneren Feder losgelassen worden wäre. Dajeil war
verdutzt; beinahe hätte sie einen Satz gemacht. »Ich
muß jetzt gehen«, sagte Amorphia.
Dajeil schwenkte die Beine unter ihrem Körper hervor und
stand ebenfalls auf, allerdings langsamer. »Sehr wohl«,
sagte sie, während der Awatara zu der Treppe ging, die in die
Turmwand eingelassen war. »Ich hoffe, du wirst mir später
mehr erzählen.«
»Natürlich«, murmelte der Awatara, dann drehte er
sich um, verneigte sich schnell und war gleich darauf verschwunden;
seine Schritte polterten die Stufen hinunter.
Einige Augenblicke später fiel die Tür ins
Schloß.
Dajeil Gelian stieg die Treppe zu den Zinnen des Turms hinauf. Ein
Windstoß erfaßte die Kapuze ihres Umhangs, und ihr
schweres, immer noch nasses Haar ergoß sich daraus hervor. Die
Sonne war untergegangen, indem sie goldene und rubinrote
Schlaglichter an den Himmel geworfen und den sternenbestückten
Horizont in eine samtig-violettfarbene Grenze verwandelt hatte. Der
Wind frischte noch mehr auf. Er fühlte sich kalt an.
Amorphia ging an diesem Abend nicht zu Fuß zurück;
nachdem das Geschöpf den schmalen Pfad durch den ummauerten
Garten des Turms und durch die Pforte hinausgeeilt war, erhob es sich
einfach in die Luft, ohne irgendeinen erkennbaren AG-Packen oder
einen Fluganzug, und beschleunigte dann als dunkler, dünner
Dunst, kurvte in die Höhe und verschwand einige Sekunden
später hinter dem Rand der Klippe.
Dajeil blickte auf. In ihren Augen standen Tränen, was sie
ärgerte. Sie zog wütend die Feuchtigkeit durch die Nase
hoch und wischte sich die Wangen ab. Ein paarmal geblinzelt, dann war
ihre Sicht zum Himmel wieder ungetrübt und stetig.
Es hatte in der Tat bereits begonnen.
Ein Schwarm der lenkbaren Geschöpfe fiel aus den
rotgesprenkelten Wolken über ihr herab und flog in Richtung
Klippen. Bei näherem Hinsehen erkannte sie die Begleitdrohnen,
die mit der Herde flogen. Zweifellos wiederholte sich dieselbe Szene
in diesem Augenblick sowohl unter der grauen Oberfläche des
Meeres jenseits des Turms als auch oben, im Bereich wütender
Hitze und zermalmenden Drucks, der die Umgebung des Gasgiganten
war.
Die lenkbaren Geschöpfe zögerten am Himmel über
ihr; vor ihnen faltete sich eine ganze Klippenlandschaft, vielleicht
einen Kilometer breit und halb so hoch, einfach zu vier ordentlichen
Päckchen zusammen und verschwand rückwärts in vier
riesigen, lange nachglühenden Hallen. Die ermutigten lenkbaren
Geschöpfe wurden zu einem der offenen Laderäume
geleitet.
An anderen Stellen vollführten andere Teile der Klippen
ähnliche Tricks; Lichter funkelten in den freigesetzten
Räumen. Der gesamte Hang aus graubraunem Geröll –
mindestens zwanzig Kilometer breit und jeweils hundert Meter tief und
hoch – klappte um und faltete sich zu acht riesigen Vs zusammen,
wobei mehrere Milliarden Tonnen von einigermaßen realem Gestein
in acht vermutlich verstärkte Schiffsladeräume geleitet
wurden, zweifellos um sich dem wie immer gearteten
Transformationsprozeß zu unterziehen, der für das Meer und
die Gasgiganten-Atmosphäre vorgesehen war.
Ein gewaltiges, knochenrüttelndes Beben erschütterte den
Boden und polterte über den Turm, während riesige
Staubwolken bauschig in die eiskalte Luft aufstiegen und der Fels
verschwand. Dajeil schüttelte den Kopf – ihre nassen Haare
klatschten auf die durchnäßten Schultern ihres Umhangs
–, dann ging sie zu der Tür, die zum Rest des Turms
führte, in der Absicht, sich dorthin zurückzuziehen, bevor
die Steinstaubwolken ankämen.
Der schwarze Vogel Gravious ließ sich auf ihrer Schulter
nieder; sie verscheuchte ihn, und er landete ungestüm mit den
Flügeln schlagend am Rand der geöffneten Falltür.
»Mein Baum!« krächzte er und hüpfte von einem
Bein aufs andere. »Mein Baum! Man hat… ich… mein…
er ist weg!«
»Zu blöd«, sagte sie. Das Getöse
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