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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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gefragt, woher du gekommen bist
und wann du losgeschickt wurdest.«
    »Ich komme von nirgends anders als von Phago«,
erklärte das Schiff.
    Sie spürte, wie sich ihre Augen weiteten.
»Tatsächlich?«
    »Tatsächlich«, antwortete es lakonisch. »Und
die Antworten auf deine nächsten drei vermuteten Fragen lauten:
weil ich ziemlich gut versteckt war, was auf einem Konglomerat von
Materie in der Größe von Phago nicht besonders schwierig
ist; ich bestehe schon seit fünfhundert Jahren; und es gibt bei
mir zu Hause noch fünf weitere von meiner Sorte. Ich gehe davon
aus, daß dich das eher beruhigt als erschreckt und daß
wir in Zukunft mit deiner Diskretion rechnen können.«
    »Oh, aber ja, absolut«, sagte sie, nickte und
fühlte sich beinahe geneigt, die Hacken zusammenzuschlagen und
zu salutieren.

 
V
     
     
    Dajeil hatte viel mehr Zeit mit den Tieren verbracht. Sie schwamm
mit den großen Fischen und den Meeressäugetieren und
Reptilien, sie zog sich einen Fluganzug an und kreuzte hoch über
dem Meer mit ihren weit ausgebreiteten Flügeln in den ruhigen
Luftströmen und Wolkenschichten, zusammen mit den lenkbaren
Drachengeschöpfen, und sie zog sich einen vollständigen
Gallertfeld-Anzug mit einer SekundärAG-Einheit an und bahnte
sich einen Weg durch die Giftgase, die Säurewolken und die
Sturmstreifen der oberen Atmosphäre hindurch, umgeben von der
Schädlichkeit und der furchtbaren Schönheit des dort
herrschenden Ökosystems.
    Sie verbrachte sogar einige Zeit damit, in den oberen Parks des
Schiffs herumzuwandeln, jenen Naturreservaten, die die ASF Sleeper
Service schon besessen hatte, als sie noch ein ganz
gewöhnliches, sich gut benehmendes ASF und ein willfähriges
Mitglied der Kontakt-Abteilung gewesen war; die Parks –
vollständige Landschaften mit Hügeln, Wäldern, Ebenen,
Flüssen und Seen sowie den Überresten von kleinen
Feriendörfern und Hotels – bedeckten die gesamte flache
obere Ebene des Schiffes und erstreckten sich alles in allem
über achthundert Quadratkilometer. Nachdem die Menschen das
Schiff verlassen hatten, gab es ziemlich große Populationen von
Landtieren in den Parks, einschließlich Wildtieren,
Räubern und Aasfressern.
    Sie hatte eigentlich keinen von ihnen ihre besondere
Aufmerksamkeit gewidmet – ihr Interesse hatte immer schon mehr
den größeren, schwimmenden Tieren der flüssigen
Umgebung gegolten –, doch nun, da es ihnen allen wahrscheinlich
bevorstand, dasselbe Exil oder dieselbe Bewußtlosigkeit zu
erleiden wie alle anderen, hatte sie angefangen, sich verspätet
und beinahe schuldbewußt für sie zu interessieren (als ob,
dachte sie reuevoll, ihre Aufmerksamkeit dem Verhalten, dessen Zeuge
sie wurde, eine besondere Bedeutung gäbe oder für die
betroffenen Geschöpfe irgendeinen Unterschied machte).
    Amorphia erschien nicht zu seinem regelmäßigen Besuch;
einige weitere Tage verstrichen.
    Als der Awatara wieder mal zu ihr kam, war sie gerade mit den
purpurflügeligen Rochen in dem flachen Teil des Meeres
geschwommen, der sich jenseits des nackten, drei Kilometer langen
Felsens an der Rückseite des Schiffes erstreckte. Bei ihrer
Rückkehr hatte sie den Flieger benutzt, den das Schiff ihr
gewohnheitsmäßig zur Verfügung stellte, hatte ihn
jedoch darum gebeten, sie oben auf der Geröllhalde abzusetzen,
unter der Klippe dem Turm gegenüber.
    Es war ein strahlend heller, kalter Tag, und die Luft schmeckte
scharf; in diesem Teil des Schiffs wurde es gerade Winter; alle
Bäume mit Ausnahme einiger immerblauer Gewächse hatten die
Blätter verloren, und bald würde der Schneefall
einsetzen.
    Die Luft war sehr klar, und vom Kamm der Geröllhalde konnte
sie die Ecken-Inseln sehen, dreißig Kilometer weit entfernt, in
der Nähe der Stelle, wo das innere Eindämmungsfeld des
Schiffes wie ein Wall quer durch das Meer abfiel.
    Sie war das Geröll hinabgeklettert und hatte kleine
Steinlawinen losgetreten, die wie trockene Flüsse aus Kieseln
und Staub zu Tal stürzten. Sie hatte vor langer Zeit gelernt,
bei derartigen Abenteuern ihr verändertes Gravitationszentrum zu
ihrem Vorteil zu nutzen, und war bisher noch nie schlimm
gestürzt. Sie kam mit klopfendem Herzen unten an; ihre
Beinmuskeln waren warm wegen der langen Anstrengung, und auf ihrer
Haut glitzerte der Schweiß. Sie ging schnell zurück zu der
Salzmarsch, auf den Wegen, die das Schiff für sie geschaffen
hatte.
    Die Sonne stand kurz vor dem Untergehen, als sie zum Turm
zurückkehrte, atemlos und immer noch

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