Exzession
Haß auf ihre Lebensweise gewachsen.
Am Ende war sie zu der Ansicht gelangt, daß sie sie
verstand, weil sie ein ganz klein wenig wie sie war.
Schließlich war sie ein Kriegsschiff. Sie war dafür
gebaut, dafür konstruiert, durch Zerstörung zu Ruhm
zu gelangen, wenn diese als angemessen erachtet wurde. Sie fand, wie
es ihr nach Fug und Recht zustand, eine schreckliche Schönheit
im Waffengerät des Krieges sowie in der Gewalt und der
Verheerung, die dieses Waffengerät anrichten konnte, und doch
wußte sie, daß dieser Reiz aus einer Art Unsicherheit
herrührte, einer Art kindischer Unreife. Sie sah, daß
– nach bestimmten Kriterien – ein Kriegsschiff allein
aufgrund der vollkommen ausgeprägten Reinheit seines Zweckes das
schönste Artefakt war, das die Kultur hervorzubringen vermochte,
und gleichzeitig begriff sie die Minderwertigkeit moralischer
Gesichtspunkte, die einer solchen Einschätzung zugrunde lagen.
Die volle Anerkennung der Schönheit einer Waffe bedeutete, sich
einer Kurzsichtigkeit hinzugeben, die an Blindheit grenzte, sich zu
einer Art Dummheit zu bekennen. Die Waffe war für sich allein
nichts; nichts war für sich allein etwas. Die Waffe konnte wie
alles andere letztendlich nur aufgrund ihrer Wirkung auf andere
beurteilt werden, aufgrund der Folgen, die sie in einem
äußeren Kontext hervorrief, aufgrund ihres Platzes
innerhalb des übrigen Universums. Nach diesen
Maßstäben war die Liebe zu Waffen oder auch nur deren
Anerkennung so etwas wie eine Tragödie.
Die Meinungs-Anpasser bildete sich ein, in die Seelen der
Affronter blicken zu können. Sie waren keineswegs die
leichtlebigen und vergnügungssüchtigen Party-Hansel mit
ziemlich schlechten Manieren, für die sie im allgemeinen
gehalten wurden; sie waren nicht gedankenlos grausam in ihrem
Bestreben, sich gegen eher gutartige und sogar bewundernswerte
Vergnügungen nachsichtig zu erweisen; man wurde ihnen nicht
gerecht, wenn man sie einfach nur als schreckliche Tunichtgute
ansah.
Sie rühmten sich zuerst und zuoberst ihrer Grausamkeit. Ihre
Grausamkeit war das Wesentliche. Sie waren nicht gedankenlos. Sie
wußten, daß sie ihresgleichen und anderen weh taten, und
sie schwelgten darin; das war ihr Lebenszweck. Das übrige –
die grobschlächtige Leutseligkeit, die derbe Lebenslust –
war zum Teil eine glückliche Fügung, zum Teil eine listig
übertriebene Machenschaft, das Äquivalent zum
engelsgleichen Gesichtsausdruck eines Kindes, das entdeckt, daß
ein strahlendes Lächeln die strengsten Erwachsenenherzen
schmelzen läßt und ihm beinahe jede Untat verziehen wird,
wie schrecklich sie auch sein mag.
Sie hatte schweren Herzens dem Plan zugestimmt, der jetzt
ausgeführt werden sollte. Leute würden sterben, Gehirne
würden zerstört werden aufgrund dessen, was sie tat. Die
entsetzliche Gefahr war ein Gigatodesverbrechen. Massenvernichtung.
Schlimmste Schrecken. Die Meinungs-Anpasser hatte gelogen,
hatte betrogen, hatte auf eine Weise gehandelt, die – nach der
Einschätzung fast ausnahmslos aller ihrer Artgenossen – in
höchstem Maße unehrenhaft war. Ihr war nur allzu deutlich
bewußt, daß ihr Name für ein Jahrtausend weiterleben
würde als der einer Verräterin, einer widerwärtig
Verabscheuungswürdigen.
Dennoch würde sie das durchführen, was ihrer Meinung
nach getan werden mußte, denn eine andere Verhaltungsweise
würde bedeuten, daß sie einen noch schlimmeren
Selbsthaß auf sich herabwünschte, den höchsten Ekel,
den jemand vor sich selbst empfinden konnte.
Vielleicht, so sagte sie sich, während sie ein weiteres
schlummerndes Kriegsschiff in den Wachzustand herüberholte,
würde die Exzession alles in Ordnung bringen. Der Halbgedanke
war in sich eine Ironie, aber sie setzte ihn dennoch fort. Ja,
vielleicht war der Exzeß die Lösung. Vielleicht war
er all das wert, was in seinem Namen riskiert wurde, und fähig,
eine friedliche Lösung herbeizuführen. Das war eine
süße Vorstellung: die Entschuldigung gewinnt die Oberhand,
der Casus belli bringt den Frieden… große
Scheiße! dachte sie. Das Schiff schnaubte vor sich hin,
prüfte den idiotischen Gedanken und verwarf ihn dann mit weniger
Verachtung, als er eigentlich verdient hatte.
Es war jetzt ohnehin zu spät, um sich die Sache noch einmal
zu überlegen. Zuviel war bereits geschehen. Das
Armseligkeits-Gehirn war bereits tot, da es sich für die
Selbstzerstörung anstatt für den Kompromiß
entschieden hatte; das menschliche Wesen, das das einzige
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