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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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haben alles genau unter die Lupe genommen. Du
wurdest als die erfahrenste Kultur-, oder vielmehr
Ex-Kultur-Repräsentantin, wie ich besser sagen sollte, an diesem
Ort befunden. Das ist kein Scherz, Professor, wie ich mit Bedauern
sagen muß. Die Orbitalstation ist mit AM-Sprengköpfen
durchsetzt. Wenn es sich als nötig erweist, wird deine Welt
zerstört werden. Die uneingeschränkte Kooperation durch
dich und alle anderen in der Orbitalstation wird dazu beitragen,
sicherzustellen, daß das nicht geschieht.«
    »Nun, ich nehme diese Ehre nicht an, Cloudsheen.
Ich…«
    Der Affronter hatte sich abgewandt und schwebte wieder zurück
zu den Fenstern. Er wackelte beim Rückzug. »Das
erübrigt sich«, entgegnete er. »Wie gesagt, du bist
befunden worden.«
    »Nun denn«, sagte sie. »Ich befinde, daß dein
Handeln ohne die Rückendeckung einer von mir anerkannten
Autorität geschieht und…«
    Der Affronter schoß durch die Luft zu ihr und hielt direkt
über ihrem Bett inne, was sie unwillkürlich zusammenzucken
ließ. Sie roch… irgendwie kalt und giftig.
»Professor«, sagte Cloudsheen. »Hier geht es nicht um
eine akademische Auseinandersetzung oder ein
Salon-Wortgeplänkel. Ihr seid Gefangene und Geiseln, und euer
aller Leben steht auf dem Spiel. Je eher ihr die Realität der
Situation begreift, desto besser. Ich weiß genauso gut wie du,
daß du in keiner Weise für die Orbitalstation
zuständig bist, aber bestimmte Formalitäten müssen
eingehalten werden, ungeachtet ihres praktischen Nutzens. Ich
betrachte die Aufgabe nunmehr als übertragen, und offen gesagt,
um mehr geht es nicht, weil ich die AM-Sprengköpfe habe und du
nicht.« Er wich schnell zurück und erzeugte einen kalten
Luftsog hinter sich. Er hielt wieder kurz vor den Fenstern an.
»Und schließlich«, sagte er, »tut es mir leid,
daß ich dich gestört habe. Ich danke dir persönlich
und im Namen meiner Mannschaft für die Empfangsparty. Sie war
überaus vergnüglich.«
    Er verließ den Raum. Die Vorhänge blähten sich
nach innen und dann nach außen und nahmen allmählich einen
goldenen Ton an.
    Ihr Herz klopfte, wie sie überrascht feststellte.

    Die Meinungs-Anpasser weckte sie nacheinander auf, indem
sie jedem dieselbe Geschichte erzählte; Exzessions-Gefahr nahe
des Esperi, Sintfluter-Schiff ahmt Kulturschiff-Konfigurationen nach,
Kooperation des Affront, höchste Dringlichkeit; befolge meine
Anweisung oder die unserer Affronter Alliierten, falls es mich
erwischen sollte. Einige der Fahrzeuge waren sofort mißtrauisch
oder zumindest verdutzt. Die Bestätigungen von den anderen
Schiffen – der Ohne Festen Wohnsitz, der Unterschiedlichen Gerbung und der Nicht Hier Erfunden
– überzeugte sie in allen Fällen.
    Ein Teil der Meinungs-Anpasser fühlte sich elend. Sie
wußte, daß sie letzten Endes das Richtige tat, aber auf
einer schlichten Oberflächen-Ebene empfand sie Ekel wegen des
Betruges, den sie an ihren Kollegenschiffen begehen mußte. Sie
versuchte sich einzureden, daß das Ganze wahrscheinlich mit nur
sehr wenig oder ganz ohne Blutvergießen und fast ohne oder ganz
ohne Gehirn-Todesfälle ablaufen würde, aber sie
wußte, daß es keine Garantie dafür gab. Sie hatte
Jahre damit verbracht, das alles immer wieder zu durchdenken, kurz
nachdem ihr sieben Jahre zuvor das Anliegen unterbreitet worden war,
und damals hatte sie bereits gewußt – und sich damit
abgefunden –, daß es zu so etwas kommen konnte, aber sie
hatte sich stets an die Hoffnung geklammert, daß es nicht
geschehen würde. Nun, da der Augenblick greifbar nahe war,
fragte sie sich, ob sie nicht doch einen Fehler gemacht hatte, aber
gleichzeitig wußte sie, daß es zu spät für
einen Rückzieher war. Es war also besser, daran zu glauben,
daß sie sich damals richtig entschieden hatte und jetzt nur
kurzsichtig und zimperlich war.
    Es konnte nicht verkehrt sein. Es war nicht falsch. Sie war
offenen Geistes gewesen und hatte sich von der Richtigkeit des
Unterfangens überzeugen lassen, das ihr vorgeschlagen worden war
und bei dem sie eine so wichtige Rolle spielen sollte. Sie hatte
getan, was von ihr verlangt worden war; sie hatte den Affront
beobachtet, hatte ihn erforscht, hatte sich in seine Geschichte,
seine Kultur und seinen Glauben vertieft. Und während all der
Zeit hatte sie eine Art Sympathie für diese Leute entwickelt,
sogar eine Empathie, und anfangs vielleicht sogar Bewunderung bis zu
einem gewissen Grad, aber gleichzeitig war in ihr ein kalter und
schrecklich

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