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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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zweimal
überlegen würde, ein anderes Bewußtsein um einen
solchen Preis zu opfern. Nach meinen Informationen sind bereits
einige Gehirne verpfändet worden; wenn unter den herrschenden
außergewöhnlichen Umständen Intellekte dieser
Rangordnung als leichte Beute angesehen werden, dann kannst du dir ja
vorstellen, wie wenig das Leben eines einzelnen Menschen wohl
bedeuten mag.«
    Der Mensch starrte den Awatara an. Seine Lippen waren
zusammengepreßt, die Hände zu Fäusten geballt.
»Du tust all das für das Leben eines einzelnen
Menschen«, sagte er. »Zweier Menschen, wenn du den
Fötus mitzählst.«
    »Nein, Genar-Hofoen«, sagte der Awatara und
schüttelte den Kopf. »Ich tue es für mich selbst, weil
es allmählich zu einer Besessenheit wird. Weil mein Stolz mir
nun nicht mehr erlaubt, diese Sache auf eine andere Weise zu
erledigen. Dajeil hat in gewissem Sinne trotz ihrer
selbstzerfleischenden Natur gesiegt. Vor fünfundvierzig Jahren
hat sie dir ihren Willen aufgezwungen, und seit vierzig Jahren hat
sie mich sozusagen im Griff. Jetzt, mehr denn je, hat sie gesiegt.
Sie hat vier Jahrzehnte ihres Leben in einem selbstmitleidigen
Schmollen weggeworfen, aber sie läßt sich nicht
unterkriegen und gewinnt nach ihren eigenen Kriterien. Du hast die
letzten vierzig Jahre damit verbracht, das Leben zu genießen
und dich deinen Ausschweifungen hinzugeben, Genar-Hofoen, deshalb
könnte man vielleicht sagen, daß du ebenfalls nach deinen Kriterien gesiegt hast, und schließlich hast du
die Dame damals für dich gewonnen, also genau das, was du
seinerzeit wolltest, erinnerst du dich? Darin bestand deine
Besessenheit, deine Torheit. Nun, wir alle drei bezahlen für
unsere gegenseitigen und miteinander verknüpften Fehler. Du hast
deinen Teil zur Schaffung dieser Situation beigetragen; ich verlange
nichts anderes von dir, als daß du deinen Beitrag zu einer
Linderung leistest.«
    »Und dafür brauche ich nichts anderes zu tun, als mit
ihr zu reden?« Der Mensch klang skeptisch.
    Das Geschöpf nickte. »Rede mit ihr. Versuche zu
begreifen, versuche, die Dinge aus ihrer Sicht zu sehen, versuche zu
vergeben oder gestatte, daß dir vergeben wird. Sei ehrlich zu
ihr und zu dir selbst. Ich verlange nicht von dir, daß du bei
ihr bleibst oder wieder ihr Gefährte wirst oder eine
dreiköpfige Familie mit ihr bildest; ich möchte lediglich,
daß das, was immer sie davon abgehalten hat, dem Kind das Leben
zu schenken, ausgesprochen und beigelegt, wenn möglich aus der
Welt geschafft wird. Ich möchte, daß sie ihr Leben wieder
aufnimmt und daß das ihres Kindes beginnt. Dann wird es dir
freigestellt sein, wieder in dein eigenes Leben
zurückzukehren.«
    Der Mensch blickte aufs Meer hinaus, dann betrachtete er seine
rechte Hand. Er machte ein überraschtes Gesicht bei der
Entdeckung, daß er einen Stein darin hielt. Er warf ihn so
kräftig und so weit er konnte hinaus in die Wellen; er schaffte
nicht einmal die halbe Strecke zu der fernen unsichtbaren Wand.
    »Was ist dir aufgetragen worden zu tun?« fragte
der Mensch das Geschöpf. »Wie lautet deine
Mission?«
    »Begib dich zur Exzession«, sagte Amorphia.
»Zerstöre sie, falls das nötig erscheint und falls es
möglich ist. Bewege sie vielleicht zu einer Reaktion.«
    »Und was ist mit dem Affront?«
    »Eine zusätzliche Komplikation«, pflichtete der
Awatara bei, wobei er erneut in die Hocke ging und die Steine um
seine Füße herum in Augenschein nahm.
»Möglicherweise muß ich mich auch mit ihm
auseinandersetzen.« Er zuckte die Achseln, hob einen Stein auf
und wog ihn in der Hand. Er legte den Stein wieder weg und
wählte einen anderen.
    »Mit ihm auseinandersetzen?« wiederholte
Genar-Hofoen. »Ich dachte, er verfügt über eine ganze
Kriegsflotte, die auf dem Weg dorthin ist.«
    »Oh, das stimmt«, bestätigte der Awatara aus
Strandhöhe. »Trotzdem, man muß es versuchen, nicht
wahr?« Er erhob sich wieder.
    Genar-Hofoen sah ihn eindringlich an und versuchte herauszufinden,
ob er ironisch oder einfach nur unaufrichtig war. Er vermochte es
nicht zu sagen. »Also, wann geht der Schlamassel richtig
los?« fragte er und versuchte, einen flachen Stein über die
Wellen hüpfen zu lassen, ohne Erfolg.
    »Nun«, antwortete Amorphia, »der Schlamassel
fängt wahrscheinlich dreißig Lichtjahre vom Punkt der
eigentlichen Exzession entfernt an, irgendwann in diesen Tagen.«
Der Awatara reckte sich und bog den Arm weit nach hinten. »Wir
müßten eigentlich heute abend dort ankommen«,

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