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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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hinzunehmen, was euch beiden widerfahren war, und ihr
restliches Leben weiterzuführen. Wenn sie dem Kind das Leben
geschenkt hätte, wäre das ein Zeichen dafür gewesen,
daß sie geheilt gewesen wäre; die körperliche
Anstrengung der Entbindung wäre das Ende ihrer seelischen
Plackerei gewesen; mit der Geburt wäre ein neuer Anfang gemacht
worden.« Der Awatara wandte den Blick ab, ließ ihn eine
Weile übers Meer schweifen, wobei Falten seine Stirn furchten.
»Ich dachte, es wäre, ein leichtes«, sagte er und sah
den Menschen wieder an. »Ich war daran gewöhnt, über
Macht zu verfügen, über die Fähigkeit, Leute, Schiffe
und Ereignisse zu beeinflussen. Es wäre so einfach gewesen,
ihren Körper mit einem Trick zum Gebären zu veranlassen
– ich hätte den Vorgang mit chemischen Mitteln einleiten
können oder durch einen Effektor, während sie schlief, und
wenn sie aufgewacht wäre, hätte es kein Zurück mehr
gegeben –, daß ich überzeugt davon war, meine
Argumente, meine Begründung – herrje, selbst meine feine
Begabung der emotionalen Erpressung – würden kaum ein
größeres Hindernis in ihrem Willen zu überwinden
haben als das, mit dem meine Techniken in ihrer Physiologie
fertigwerden mußten.«
    Er schüttelte rasch den Kopf. »Es sollte nicht so sein.
Sie erwies sich als starrsinnig. Ich hoffte, sie durch meine
umfassende Sorge für sie, indem ich alles, was du hier siehst,
wirklichkeitsgetreu nachgestaltet habe, überzeugen – ja
sogar beschämen – zu können«, sagte der Awatara
und ließ den Blick über die Klippen, die Marsch, den Turm
und das Wasser schweifen, »indem ich meine ganze
äußere Hülle in ein Habitat nur für sie allein
und die von ihr geliebten Geschöpfe verwandelte.« Amorphia
vollführte so etwas wie ein schräges, seitliches Nicken und
lächelte. »Ich gebe zu, ich hegte noch eine weitere
Absicht, die ein derartig übertriebenes
Einfühlungsvermögen nur zu verbergen helfen würde,
aber Tatsache ist, daß mein ursprünglicher Plan war, eine
Umgebung zu schaffen, in der sie sich wohlfühlen und die ihr
sicher genug erscheinen würde, um ihr Baby auf die Welt zu
bringen, nachdem sie gesehen hätte, wieviel Fürsorge ich
ihr entgegenzubringen bereit war.« Der Awatara setzte ein
wehmütiges Lächeln auf. »Ich habe mich geirrt«,
gab er zu. »Ich habe mich zweimal geirrt, und jedesmal habe ich
Dajeil geschadet. Du bist – und das hier ist – meine letzte
Chance, meine Fehler auszubügeln.«
    »Und was soll ich tun?«
    »Einfach nur mit ihr reden!« rief der Awatara und
breitete die Arme aus (und plötzlich wurde Genar-Hofoen an Ulver
erinnert).
    »Was ist, wenn ich nicht mitspiele?« fragte er.
    »Dann kann es sein, daß du mein Schicksal teilen
mußt«, erklärte der Repräsentant des Schiffes
aufgebracht. »Wie immer dieses aussehen mag. Jedenfalls behalte
ich dich vielleicht so lange hier, bis du zumindest einwilligst, mit
ihr zu reden, selbst wenn ich – damit ein solches Treffen
zustande kommen kann – sie bitten muß zurückzukehren,
nachdem ich sie aus Sicherheitsgründen weggeschickt
habe.«
    »Und wie wird dein Schicksal der Wahrscheinlichkeit nach
aussehen?«
    »Oh, möglicherweise wird es der Tod sein«, sagte
der Awatara und zuckte mit scheinbarer Gleichgültigkeit die
Achseln.
    Der Mensch schüttelte den Kopf. »Du hast kein Recht, mir
auf diese Weise zu drohen«, sagte er mit dem Ansatz eines
Lachens in der Stimme, das, wie er hoffte, nichts von der
Nervosität verriet, die er empfand.
    »Dennoch, ich drohe dir damit, Genar-Hofoen«, erwiderte
der Awatara, wobei er sich in der Leibesmitte abknickte und sich kurz
zu ihm herüberbeugte. »Ich bin nicht so exzentrisch, wie
ich erscheine, aber bedenke folgendes: Nur ein Fahrzeug, das bis zu
einem gewissen Grad mit Exzentrizität ausgestattet ist, ist
überhaupt in der Lage, einen solchen Lebensstil anzunehmen, wie
ich es vor vierzig Jahren getan habe.« Das Geschöpf
richtete sich wieder senkrecht auf. »Es gibt bei Esperi eine
beispiellose Exzession, die zu einer Unendlichkeit von Universen und
einer Ebene der Macht in einer Größenordnung führen
könnte, die alles übertrifft, was irgendein bekannter
Betroffener gegenwärtig besitzt. Du hast selbst die Erfahrung
gemacht, wie die BG arbeiten, Genar-Hofoen; sei doch nicht so naiv zu
glauben, daß Gehirne nicht dann und wann Methoden starker
Waffengewalt anwenden oder daß in einer Angelegenheit von so
nachhaltiger Wichtigkeit irgendein Schiff es sich

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