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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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nicht im selben Maße in alle Richtungen stattfand.
Sie hatte immer noch eine zweite Front, nämlich die Affronter
Kriegsflotte, auch wenn sie bei weitem nicht so bedrohlich war wie
das, dem sie sich jetzt gegenübersah. Die Sleeper wies
ihre eigenen Kriegsschiffe an, zu fliehen und alles in ihrer Macht
Stehende zu tun, um der nahenden explosiven Front der Exzessionsflut
zu entkommen. Wenn die Ausdehnung lokal begrenzt war, konnten
zumindest einige von ihnen ungeschoren davonkommen; ohnehin waren sie
auf die Affronter Flotte ausgerichtet gewesen, nicht direkt auf die
Exzession. Die Sleeper fragte sich mit flüchtig
aufwallendem Unmut, ob die sich aufblähende Exzession –
oder was immer dahinter steckte – fähig war, diese
Zielbestimmung angemessen zu würdigen. Wie auch immer, es war
geschehen; die Kriegsschiffe waren für den Augenblick auf sich
selbst gestellt.
    Nachdenken. Was hatte die Exzession bis jetzt angerichtet? Was
konnte sie möglicherweise anrichten? Welchem Zweck diente sie?
Warum verhielt sie sich so, wie es der Fall war?
    Das ASF verbrachte zwei ganze Sekunden mit Nachdenken.
    (Auf der Trübe Aussichten war das lange genug,
daß der Awatara Amorphia Dajeil unterbrechen und sagen konnte:
»Entschuldigung. Ich bitte um Verzeihung, Dajeil. Ähm…
bei der Exzession hat sich etwas weiterentwickelt…«)
    Dann schwenkte die Sleeper ihre Antriebsfelder herum,
ließ sie zu einer vollkommen neuen Konfiguration aufblühen
und stattete sich mit einem Aufprallschutz aus.
    Das riesige Schiff ergoß jede verfügbare Krafteinheit
in eine Notbremsung, bei der riesige bleifarbene Störwellen ins
Energiegitter geworfen wurden; brüllende Tsunami aus
gehäufter Energie, die aufstiegen und im hyperräumlichen
Bereich aufwallten, bis auch sie in den Strang zu brechen und jene
Energien freizusetzen drohten, die seit einem halben Jahrtausend in
der Galaxis nicht mehr erlebt worden waren. Einen Augenblick, bevor
die Wellen in die Materie des Realraums einbrachen, raste das Schiff
von einer Ebene des Hyperraums zur anderen, tauchte seine
Traktionsfelder in das Energiegitter des äußeren Raums und
erzeugte ein weiteres riesiges taumelndes Aufbäumen von
Reibungskraft.
    Das Schiff zuckte zwischen den beiden Bereichen des Hyperraums hin
und her und verteilte die ungeheueren Kräfte nach seinem Befehl
auf die einzelnen Domänen, während es seine Geschwindigkeit
auf ein Maß drosselte, das in seinen bauartlichen Parametern
eigentlich nicht vorgesehen war, und die aufs äußerste
beanspruchten Steuereinheiten an die Grenze ihrer
Leistungsfähigkeit stießen bei dem Versuch, das riesige
Fahrzeug zu wenden, um es allmählich noch weiter vom Zentrum zu
entfernen.
    Im Augenblick war kaum etwas zu tun. Sie waren nicht ausreichend
gut ausgestattet, um zu fliehen, aber zumindest machten solche
Handlungen deutlich, daß der Versuch unternommen wurde. Alles
was getan werden konnte, wurde getan. Die Sleeper Service dachte über ihr Leben nach.
    Habe ich mich richtig verhalten, oder falsch? dachte sie. War ich gut oder schlecht?
    Das Verflixte war, daß man es einfach nicht wußte,
bevor das Leben vorbei war, wirklich vorbei. Es gab eine notwendige
Verzögerung zwischen dem Punkt, da man einen Strich unter das
eigene Dasein ziehen konnte, und einer objektiven Einschätzung
seiner Auswirkungen und damit des eigenen moralischen Wertes. Das war
keines der Probleme, mit denen sich ein Schiff normalerweise
auseinandersetzen mußte, sicher; das bedurfte eines gewissen
Grades an Willenskraft, und Schiffe zogen sich andauernd in den
Ruhestand zurück oder wurden Exzentriker, indem sie
erklärten, sie hätten ihren Beitrag zu der Sache geleistet,
an die sie glaubten, oder wären sogar ein Teil davon gewesen. Es
bestand immer die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, sich
auf dem Erreichten auszuruhen und Rückschau zu halten und zu
versuchen, die eigene Existenz in einen ethischen Rahmen einzupassen,
der größer war als jener, der einem durch die
Notwendigkeiten der unmittelbaren Ereignisse einer emsigen Existenz
gesteckt wurde. Aber trotzdem, wie lange brauchte man, um diese
Bewertung und Einschätzung durchzuführen? Nicht sehr lange.
Wahrscheinlich nicht lange genug. Im allgemeinen wurde man des ganzen
Vorgangs müde und bewegte sich zu einer anderen
Bewußtseinsebene weiter, bevor ausreichend Zeit vergangen war,
damit eine objektive Beurteilung zustande kommen konnte.
    Wenn ein Schiff ein paar hundert Jahre oder sogar tausend Jahre
lebte,

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