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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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seine Aufmerksamkeit wieder dem unerbittlichen
Herannahen der Exzession zu, und es überlegte. Jetzt endlich
komme ich dahinter, jetzt, da es, verdammt noch mal, zu spät
ist…
    Die Sleeper wandte sich zu ihrem Kind um, der Trübe
Aussichten, die immer noch von ihrem ursprünglichen Kurs
abschwenkte. Der Awatara bereitete die Menschen auf den Eintritt in
den Simulationsmodus vor.

 
VII
     
     
    »Es tut mir leid«, sagte der Awatara zu den beiden
Frauen und dem Mann. »Es wird wahrscheinlich nötig werden,
uns in eine Simulation abzuschieben, falls ihr nichts dagegen
habt.«
    Sie alle starrten ihn an.
    »Warum?« fragte Ulver und machte eine schwungvolle
Armbewegung.
    »Die Exzession breitet sich aus«, erklärte
Amorphia. Er gab eine kurze Beschreibung der Situation.
    »Willst du damit sagen, daß wir sterben werden?« sagte Ulver.
    »Ich muß gestehen, daß diese Möglichkeit
nicht auszuschließen ist«, sagte der Awatara in einem
entschuldigenden Ton.
    »Wieviel Zeit bleibt uns noch?« wollte Genar-Hofoen
wissen.
    »Nur noch zwei Minuten, von jetzt an gerechnet.
Spätestens dann ist der Eintritt in die Simulation ratsam«,
antwortete Amorphia. »Allerdings wäre ein früherer
Eintritt vielleicht eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme,
angesichts der Unwägbarkeit der derzeitigen Situation.« Er
ließ den Blick von einem zum anderen wandern. »Ich
möchte noch darauf hinweisen, daß ihr nicht alle zur
selben Zeit in die Simulation übergehen
müßt.«
    Ulvers Augen verengten sich. »Moment mal; das ist doch nicht
etwa ein Trick, um unsere Gehirne zu konzentrieren, oder? Denn wenn
es…«
    »Nein, ist es nicht«, versicherte ihr Amorphia.
»Möchtest du dich selbst überzeugen?«
    »Ja«, sagte Ulver, und im nächsten Augenblick hatte
ihre Neurallitze ihre Sinne in das Bewußtsein der Sleeper
Service eingetaucht.
    Sie blickte in die Tiefe des Raums außerhalb des Raums. Die
Exzession war eine riesige zweigeteilte Wand aus wildem Chaos, die
mit atemberaubender Geschwindigkeit auf sie zu raste, eine
verzehrende Feuersbrunst aus rücksichtsloser, ungeteilter Kraft.
In diesem Augenblick glaubte sie, daß ihr Herz vor Entsetzen
stehenbleiben müsse. An den Sinneswahrnehmungen und Empfindungen
eines Schiffes auf diese Weise teilzuhaben, bedeutete
zwangsläufig auch, einen Teil seines Wissens in sich
aufzunehmen, hinter die äußere Erscheinung dessen zu
blicken, was man vor sich sah, die Realität dahinter zu
erschauen, bis zu den Auswertungen, die ein empfindungsbegabtes
Raumschiff beim Sammeln von Daten zu machen gezwungen war, bis zu den
Vergleichen, die angestellt werden, und den Schlußfolgerungen,
die aus einem solchen Phänomen gezogen werden konnten, und
während Ulvers Sinne unter der Wucht dessen, was auf sie
eindrang, Purzelbäume schlugen, wurde sich ein anderer Teil
ihres Geistes der Natur und der Kraft des Anblicks bewußt,
dessen sie teilhaftig wurde. Wie sich der thermonukleare Feuerball im
Verhältnis zu einem brennenden Holzscheit verhielt, so verhielt
sich diese tobende Wolke der Zerstörung im Verhältnis zu
einer Fusionsexplosion. Was sie jetzt beobachtete, war etwas, von dem
sogar das ASF unweigerlich beeindruckt sein mußte, ganz zu
schweigen von der tödlichen Bedrohung, die davon ausging.
    Ulver sah einen Weg, sich aus diesem Erlebnis auszuklinken, und
sie nahm die Gelegenheit wahr.
    Sie war weniger als zwei Sekunden lang einbezogen gewesen.
Während dieser Zeit hatte ihr Herz angefangen, wie wild zu
pochen, ihr Atem hatte sich beschleunigt und war mühsam
geworden, und kalter Schweiß war auf ihrer Haut ausgebrochen. Puuh! dachte sie, was für eine Droge!
    Genar-Hofoen und Dajeil Gelian sahen sie an. Sie hatte das
Gefühl, daß sie nichts zu sagen brauchte, doch sie
schluckte und sagte: »Ich glaube nicht, daß er Witze
macht.«
    Sie drückte ihre Neurallitze. Zweiundzwanzig Sekunden waren
vergangen, seit der Awatara ihnen die Zweiminutenfrist gesetzt
hatte.
    Dajeil wandte sich an den Awatara. »Können wir irgend
etwas tun?« fragte sie.
    Amorphia breitete die Hände aus. »Jeder einzelne von
euch könnte mir sagen, ob er möchte, daß sein
Gehirnsubstrat in die Simulation eingeht«, sagte er. »Das
ist die erste Stufe der Übertragung der Gehirnsubstrate
über die unmittelbare Umgebung hinaus zu anderen Gehirnmatrizen.
Aber die Entscheidung liegt in jedem Fall bei euch selbst.«
    »Nun, ja«, sagte Ulver. »Du kannst mich dort
einbringen, wenn die zwei Minuten vorbei sind.«
    Dreiunddreißig

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