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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Beängstigend.
    Sie untersuchte die ferne, sich ausdehnende Hülle von
Partikeln. Sie waren heiß gewesen. Übel zugerichtet. Ein
Wrack. Sogar ein Kriegswrack. Der Kohlenstoff und die Ionen konnten
ursprünglich Teil von ihr selbst gewesen sein, oder Teil des
Schiffs, oder sogar Teil eines Menschen. Einige Stickstoffatome und
Kohlendioxid, kein Sauerstoff.
    Aber alles erreichte nur eine Geschwindigkeit von 10 % der
ihren. Das war seltsam. Als ob sie irgendwie aufgrund eines
plötzlichen Auftauchens von Materie beschleunigt worden
wäre. Als ob sie von einem Displacer verschoben worden
wäre.
    Die Drohne schaltete einen Teil ihrer Aufmerksamkeit wieder nach
innen, zu den verschlossenen Kernen in ihrem Geistessubstrat mit den
Warnungen. Ich kann das nicht länger hinausschieben,
schätze ich, dachte sie.
    Sie befragte die beiden Kerne. VERGANGENHEIT war der erste
beschriftet. Der zweite war schlicht 2/2 genannt worden.
    Uijui, dachte sie.
    Sie öffnete den ersten Kern und fand ihre Erinnerungen.

 
II
     
     
    Genar-Hofoen schwebte in der Dusche, von allen Seiten von der
Wasserflut geschubst. Die Ventilatoren, die das Wasser aus der
Antigrav-Dusche heraussaugten, waren heute morgen schrecklich laut.
Ein Teil seines Gehirn meldete ihm, daß sein Sauerstoff
allmählich knapp wurde; er mußte entweder die Dusche
verlassen oder nach dem Luftschlauch tasten, der wahrscheinlich an
der Stelle war, wo er ihn am wenigsten vermutete. Entweder das, oder
die Augen öffnen. All das kam ihm viel zu umständlich vor.
Ihm war ganz behaglich zumute, da wo er war.
    Er wartete ab, was sich als erstes ergeben würde.
    Es war die Gleichgültigkeit seines Gehirns gegenüber der
Tatsache, daß er dem Ersticken nahe war. Plötzlich war er
hellwach und zappelte wie ein ertrinkendes human-basisches Wesen,
verzweifelt nach Luft ringend, jedoch voller Angst, in der
Konstellation von Wasserkügelchen, in der er schwebte, zu atmen.
Seine Augen waren weit aufgerissen. Er sah den Luftschlauch und griff
danach. Er atmete ein. Scheiße, war das hell. Seine Augen
dämpften die Sicht. Das war besser.
    Er hatte das Gefühl, genügend geduscht zu haben. Er
murmelte mehrmals »aus, aus« in die Maske des
Luftschlauchs, aber das Wasser strömte weiter. Dann fiel ihm
ein, daß das Modul zur Zeit nicht mit ihm sprach, weil er den
Anzug am Abend zuvor angewiesen hatte, keine weitere Kommunikation
mehr entgegenzunehmen. Offenbar wurde eine solche
Verantwortungslosigkeit dadurch bestraft, daß sich das Modul
kindisch benahm. Er seufzte.
    Zum Glück war die Dusche mit einem Aus-Knopf ausgestattet.
Die Wasserdüsen versiegten. Die Kabine wurde behutsam wieder mit
Schwerkraft versehen, und er schwebte sanft zu Boden, begleitet vom
Glucksen des Wassers. Ein Umkehrfeld klickte an, und während der
letzte Rest Wasser versickerte, betrachtete er sich selbst darin,
wobei er den Bauch einzog und das Kinn vorreckte, das Gesicht im
vorteilhaftesten Winkel verdrehte und einige widerspenstige
Strähnen seiner blonden Locken zurechtstrich.
    »Na ja, auch wenn ich mich beschissen fühle, ich sehe
immer noch toll aus«, verkündete er niemandem im
besonderen. Diesmal hörte ihm nicht einmal das Modul zu.
    »Tut mir leid, wenn ich dich zu einer etwas schnelleren
Gangart antreiben muß«, sagte das Abbild seines Onkels
Tishlin.
    »Schon gut«, antwortete er durch einen Mundvoll Steak.
Er spülte ihn mit irgendeinem aufgewärmten Sud hinunter,
von dem das Modul immer behauptet hatte, er sei wohltuend, wenn man
nicht genügend Schlaf gehabt habe. Er schmeckte widerwärtig
genug, um einem entweder tatsächlich gutzutun oder einfach nur
einer der kleinen Späße des Moduls zu sein.
    »Einigermaßen gut geschlafen?« fragte das Abbild
seines Onkels. Er saß, dem Anschein nach, Genar-Hofoen
gegenüber am Tisch im Eßzimmer des Moduls, einem angenehm
luftigen Raum, angefüllt mit Porzellan und Blumen und auf drei
Seiten einen scheinbaren Realzeit-Ausblick auf ein sonnenbeschienenes
Tal bietend, das in Wirklichkeit eine halbe Galaxis entfernt war.
Eine kleine dienstbare Drohne verharrte an der Wand hinter dem Mann
in der Schwebe.
    »Mindestens zwei Stunden«, sagte Genar-Hofoen. Er
vermutete, er hätte die ganze vergangene Nacht hindurch wach
bleiben können, als er zum erstenmal das Hologramm seines Onkels
entdeckte, das auf ihn wartete; er hätte sich etwas
eindrüsen können, das ihn aufmerksam und wach und
aufnahmefähig gehalten hätte, um alles gleich hinter sich
zu bringen, aber

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