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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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jede Menge sonderbarer und wundervoller Dinge bei
den Sternen gefunden hatte.
    »Zuerst«, sagte das Hologrammbild, »zeigte die tote
Sonne jedes Anzeichen eines unvorstellbar hohen Alters. Die Methoden,
die angewandt wurden, um sie zu datieren, zeigten an, daß sie
schon seit annähernd tausend Milliarden Jahren
bestand.«
    »Wie bitte?« hauchte Genar-Hofoen.
    Onkel Tishlin spreizte die Hände. »Das Schiff konnte es
auch nicht glauben. Um sich mit dieser unwahrscheinlichen Gestalt
auseinanderzusetzen, benutzte es…« – die Erscheinung
blickte zur Seite, wie es Tishlin stets zu tun pflegte, wenn er
nachdachte, und Genar-Hofoen ertappte sich dabei, daß er
lächelte – »… die Isotopen- und die
Flußlinienkorrosions-Analyse.«
    »Technische Begriffe«, sagte Genar-Hofoen und nickte.
Sowohl er als auch das Hologramm lächelte.
    »Technische Begriffe«, bestätigte Tishlins Abbild.
»Aber welche Methoden sie auch anwandten oder welche
Berechnungen sie anstellten, als Ergebnis ergab sich jedes Mal,
daß der tote Stern mindestens fünfzig mal so alt war wie
das Universum.«
    »Diese Geschichte habe ich noch nie gehört«, sagte
Genar-Hofoen, schüttelte den Kopf und blickte nachdenklich
drein.
    »Ich auch nicht«, pflichtete Tishlin bei. »Obwohl
sie, wie sich herausstellte, veröffentlicht wurde, und zwar kurz
nach dem Ereignis selbst. Ein Grund, weshalb zur damaligen Zeit kein
großes Aufhebens davon gemacht wurde, war folgender: Dem Schiff
war das, was es da vorbrachte, so peinlich, daß es niemals
einen vollständigen Bericht ablieferte, sondern die Ergebnisse
für sich behielt, in seinem Gehirn speicherte.«
    »Gab es damals schon richtige Gehirne?«
    Tishlins Abbild hob die Schultern. »Gehirne wäre
vielleicht zuviel gesagt. KI-Kerne würden wir heute
wahrscheinlich dazu sagen. Aber es war zweifellos empfindungsbegabt,
und das Entscheidende ist, daß die Information in der
Erinnerung des Schiffes blieb, wie auch immer.«
    Wo sie natürlich Eigentum des Schiffes blieb. Erinnerungen
waren praktisch das einzige persönliche Eigentum, das die Kultur
anerkannte, ebenso wie Gedanken. Alle Berichte oder Analysen, die in
einem öffentlichen Speicher aufgezeichnet waren, waren
theoretisch für jedermann zugänglich, aber die eigenen
Gedanken, die eigenen Erinnerungen – ob es sich um ein
Menschen-, ein Drohnen- oder ein Schiffsgehirn handelte – wurden
als Privatangelegenheit betrachtet. Es wurde als der Gipfel
schlechten Benehmens erachtet, auch nur zu versuchen, das Gehirn von
jemand anderem oder etwas anderem zu lesen.
    Nach Genar-Hofoens persönlicher Ansicht war das ein durchaus
vernünftiges Gesetz, obwohl ihm im Laufe der Jahre, wie vielen
anderen Leuten auch, der Verdacht gekommen war, daß es den
Gehirnen der Kultur im allgemeinen und denen der Besonderen
Gegebenheiten im besonderen gut in den Kram paßte.
    Dank dieses Tabus konnte jeder in der Kultur Geheimnisse für
sich behalten und kleine Pläne und Verschwörungen im Herzen
bewahren. Das Dumme daran war, daß diese Art des Verhaltens,
das sich bei Menschen häufig in handfesten Streichen, kleinen
Eifersüchteleien, törichten Mißverständnissen
und tragischer unerwiderter Liebe niederschlug, bei den Gehirnen
gelegentlich dazu führte, daß sie vergaßen, alle
anderen über die Entdeckung ganzer stellarer Zivilisationen zu
informieren, oder daß sie auf eigene Faust versuchten, die
Entwicklung einer gewachsenen Kultur zu verändern, über die
bereits jeder Bescheid wußte (wobei die Gefahr bestand,
daß sie das eines Tages nicht nur mit irgendeiner Kultur,
sondern mit Der Kultur tun würden – immer vorausgesetzt,
das war nicht bereits geschehen).
    »Was war mit den Leuten an Bord des Kultur-Schiffes«,
fragte Genar-Hofoen.
    »Sie wußten natürlich ebenfalls Bescheid, aber
auch sie hielten dicht. Abgesehen von allem anderen waren ihnen zwei
bemerkenswerte Dinge bekannt: Sie hatten den Verdacht, daß sie
irgendwie hereingelegt werden sollten, aber sie kamen nicht dahinter,
wie, deshalb beschlossen sie abzuwarten, bevor sie den anderen etwas
davon sagten.« Tishlin zuckte die Achseln.
»Verständlich, finde ich; es war schließlich alles so
fremdartig, daß es sich wahrscheinlich jeder zweimal
überlegt hätte, bevor er es von den Dächern pfiff.
Heutzutage würde man mit solcher Verschwiegenheit nicht mehr
durchkommen, aber damals waren die Leitlinien lockerer.«
    »Was war das andere Ungewöhnliche, das sie entdeckt
hatten?«
    »Ein Artefakt«,

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