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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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spezialisierten Gehirne in den eigentlichen
Kriegsschiffen waren ebenso wie alle anderen damals, vor
fünfhundert Jahren, über ihr Schicksal zu Rate gezogen
worden; die auf Armseligkeit Eingelagerten waren dazu überredet
worden, vorzugsweise zu schlafen, bis sie eines Tages gebraucht
würden, und sich darauf vorzubereiten, daß ihr Schlaf
wirklich sehr, sehr lange dauern könnte, bevor er aller
Wahrscheinlichkeit nach mit Kampf und Tod enden würde. Sie
hatten sich alle damit einverstanden erklärt, daß sie am
liebsten im Vorfeld des Anschlusses an die letzte Sublimierung der
Kultur erweckt werden wollten, falls und wenn die Gesellschaft diese
Entscheidung treffen würde. Bis dahin wären sie zufrieden
damit, in ihren dunklen Hallen zu schlummern, während die
Götter vergangener Rache stillschweigend über den Frieden
der Gegenwart und die Sicherheit der Zukunft wachten.
    Unterdessen hielt das Gehirn von Armseligkeit Wacht über sie
und blickte hinaus in die widerhallende Stille und die
sonnengesprenkelte Dunkelheit des Raums zwischen den Sternen, mit
sich und seiner Welt im reinen und unbeschreiblich zufrieden, wenn
sich nichts auch nur entfernt Interessantes abspielte.
    Armseligkeit war damals ein sehr sicherer Ort, und Gestra
Ishmethit mochte sichere Orte. Es war ein sehr einsamer Ort, und
Gestra Ishmethit hatte sich stets nach Einsamkeit gesehnt. Es war
einst ein sehr wichtiger Ort gewesen, ein Ort, den fast niemand
kannte und um den sich fast niemand scherte oder es jemals tun
würde, und auch das paßte Gestra Ishmethit sehr gut, denn
er war ein seltsames Geschöpf und hatte sich damit abgefunden,
daß es so war.
    Hochgewachsen, pubertär tölpelhaft und ungeschickt trotz
seiner zweihundert Jahre, hatte Gestra das Gefühl, sein ganzes
Leben lang ein Außenseiter gewesen zu sein. Er hatte es mit
einer körperlichen Veränderung versucht (er hatte eine
Zeitlang wirklich gut ausgesehen), er hatte es damit versucht,
weiblich zu sein (sie war recht hübsch gewesen, so hatte man ihr
gesagt), er hatte es damit versucht, von dem Ort wegzuziehen, wo er
aufgewachsen war (er war die halbe Galaxis weit weggezogen, zu einer
Raumstation, die zwar ganz anders, aber genauso angenehm wie seine
Heimat war), und er hatte es mit einem erträumten Leben versucht
(er war ein Meeresprinz in einem wassergefüllten Raumschiff
gewesen, der gegen ein böses, von Maschinen wimmelndes Gehirn
kämpfte, und gemäß dem Szenario war es ihm bestimmt,
um die kriegerische Prinzessin eines anderen Stammes zu freien), aber
bei alledem, was immer er auch versuchte, war er sich nie anders als
tolpatschig vorgekommen; gut auszusehen war schlimmer, als
spindeldürr und schlaksig zu sein, denn sein Körper
fühlte sich an wie eine Lüge, die er mit sich herumtrug;
eine Frau zu sein war auch nicht besser, und außerdem war es
irgendwie peinlich, als ob es der Körper von jemand anderem
wäre, den er von innen heraus gekidnappt hätte; sich an
einen fremden Ort zu begeben, bescherte ihm die Qual, daß er
ständig den Leuten erklären mußte, warum er von zu
Hause weggegangen war, und das Leben in einem Traumszenario Tag und
Nacht erzeugte einfach das Gefühl, daß etwas nicht
stimmte; er hatte Angst davor, in dieser virtuellen Welt genauso
vollständig zu versinken, wie sein Meeresprinz in seinem
wässerigen Reich versunken war, und damit das zu verlieren, was
seinem Empfinden nach in den besten Zeiten ein schwacher Griff auf
die Realität war, und deshalb durchlebte er das Szenario mit dem
unguten Gefühl, daß er lediglich ein Zierfisch in jemandes
Aquarium war, der in Kreisen durch die versteinerten Ruinen
versunkener Burgen schwamm. Und schließlich war die Prinzessin
falsch gepolt gewesen und hatte sich dem Maschinengehirn
hingegeben.
    Die schlichte Tatsache war, daß er nicht gern mit Leuten
redete; er hatte keine Lust, sich unter sie zu mischen, und er hatte
nicht einmal Lust, über sie als Individuen nachzudenken. Am
wohlsten fühlte er sich, wenn er weit weg von anderen Leuten
war; dann empfand er eine nicht unangenehme Sehnsucht nach
Gesellschaft an sich, eine Sehnsucht, die sofort verschwand – um
von einem magenumdrehenden Grauen abgelöst zu werden –,
wenn es so aussah, als könne sie befriedigt werden.
    Gestra Ishmethit war eine Mißgeburt; obwohl er der
Sprößling einer überaus gewöhnlichen und
gesunden Mutter (und eines ebenso gewöhnlichen Vaters) war, in
der gewöhnlichsten aller gewöhnlichen Familien in einer
höchst

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