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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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gewöhnlichen Orbitalstation aufgewachsen war und
eine sehr gewöhnliche Erziehung genossen hatte, hatte ihn ein
Fehler bei der Geburt oder ein so gut wie unmögliches
Zusammentreffen von Veranlagungen und Kindheitserlebnissen zu der Art
von Person gemacht, die bei den sorgfältig bearbeiteten Genen
der Kultur eigentlich nicht vorkommen durfte; kurz gesagt, er war ein
echter Unangepaßter, etwas, das in der Kultur noch seltener war
als ein Baby mit körperlichen Deformationen.
    Aber während es ein leichtes war, eine verkrüppelte
Gliedmaße oder ein mißgestaltetes Gesicht nachwachsen zu
lassen oder zu ersetzen, war es etwas ganz anderes, wenn die
Absonderlichkeit im Innern war, eine Tatsache, die Gestra stets mit
einem Gleichmut hingenommen hatte, den seiner Vermutung nach die
Leute für noch abartiger ansahen als seine ursprüngliche,
beinahe krankhafte Schüchternheit. Warum ließ er seinen
Zustand nicht einfach behandeln? fragten seine Verwandten und einige
Bekannte. Warum bat er nicht darum, seine Abartigkeit beheben zu
lassen, und dabei möglichst er selbst zu bleiben? Vielleicht
kein leichtes Unterfangen, aber es würde schmerzlos ablaufen;
wahrscheinlich konnte man es machen, während er schlief; er
würde sich an nichts davon erinnern, und wenn er aufwachte,
konnte er ein normales Leben führen.
    Er zog die Aufmerksamkeit von KI, Drohnen, Menschen und Gehirnen
auf sich, die sich für derartige Dinge interessierten; bald
standen sie Schlange, um ihn zu behandeln; er war eine
Herausforderung! Er bekam schreckliche Angst vor ihrer –
abwechselnd – freundlichen, fröhlichen,
derb-kameradschaftlichen, schroffen oder einfach nur unverhohlen
gierigen Anmache, darauf ausgerichtet, mit ihm zu reden, ihn zu
beraten, ihm die Vorteile ihrer verschiedenen Behandlungsmethoden und
Therapien darzulegen, so daß er schließlich gar nicht
mehr an sein Terminal ging und praktisch ein Einsiedler in einem
Sommerhaus auf dem Anwesen seiner Familie wurde, unfähig zu
erklären, daß er trotz allem – richtiger gesagt,
genau wegen all seiner vorherigen Versuche, sich an den Rest der
Gesellschaft anzupassen, und wegen der Erfahrungen, die er dabei
gemacht hatte – derjenige bleiben wollte, der er war, und nicht
die Person, die er werden würde, wenn er jene Eigenart
verlöre, die ihn von allen anderen unterschied, wie pervers
diese Entscheidung den anderen auch erscheinen mochte.
    Letzten Endes hatte er zum Nabengehirn seiner heimatlichen
Orbitalstation als Mittler Zuflucht genommen, um eine Lösung zu
finden. Eine Drohne des Kontakts war eines Tages zu ihm gekommen, um
mit ihm zu sprechen.
    Es war ihm immer schon leichter gefallen, mit Drohnen zu reden,
anstatt mit Menschen, und diese Drohne war ihm irgendwie besonders
geschäftsmäßig und gleichzeitig unverbindlich
charmant vorgekommen, und nach der wahrscheinlich längsten
Unterhaltung, die Gestra jemals geführt hatte, hatte sie ihm
eine Vielzahl von Posten angeboten, wo er allein sein konnte. Er
hatte die Position gewählt, in der er sehr allein und sehr
einsam sein konnte, wo er sich glücklich nach menschlichem
Kontakt sehnen konnte, dem seines Wissens einzigen Ding, das er
unfähig war zu schätzen.
    Es war letztendlich ein Ruheposten; es war von Anfang an
klargestellt worden, daß er auf Armseligkeit nicht wirklich
etwas zu tun hätte; er würde einfach dasein müssen;
eine symbolische menschliche Anwesenheit zwischen der Menge von
stummen Waffen, ein Zeuge der schweigenden Wache des Gehirns
über die schlafenden Maschinen. Gestra Ishmethit war ganz
zufrieden mit diesem Mangel an Verantwortung und wohnte nun schon
seit anderthalb Jahrhunderten auf Armseligkeit; er war kein einziges
Mal irgendwo anders hingereist, hatte während der ganzen Zeit
keinen einzigen Besucher empfangen und war niemals irgendwie
unglücklich gewesen. An manchen Tagen war er sogar richtig
glücklich.
    Die Schiffe waren in der Gruppe von riesigen dunklen Kavernen in
Reihen von jeweils vierundsechzig Stück angeordnet. Diese
großen Hallen wurden stets kalt und luftleer gehalten, aber
Gestra hatte herausgefunden, daß er, wenn er etwas Abfall aus
seinen Gemächern fand und ihn in einem Gallertfeld-Sack warm
hielt und ihn dann in einem der Hangars auf dem kalten Boden absetzte
und Sauerstoff aus einem Druckbehälter darüber blies, ihn
in Brand stecken konnte. Auf diese Weise ließ sich ein ganz
nettes kleines Feuerchen machen, grellweiß und gelb im Atem des
Gases und eine sich schnell

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