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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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krachend zu Boden fallender Aktenschrank, der wenig später die Stiegen abwärts rutschte, ließ ihn jedoch schnell wieder sachlich werden. „Es kann nicht mehr lange dauern, bis die Polizei zurückschlägt“, sagte er, „am besten, ihr palessiert sofort. Solang noch Zeit ist. Und, Jelka, sieh bitte zu, dass du sie noch heute über die Grenze bringst. Am Morgen wird der Laden wieder einwandfrei funktionieren, da geht dann so schnell nix mehr. Und vor allem ned so einfach.“
    Jelka nickte nur und sah dann die drei Frauen an: „Also, ab durch die Mitte.“
    Bronstein schob sich zur Seitentür vor und lugte aus dem Gebäude. Die Zahl der nachströmenden Demonstranten nahm ab, während sich vor dem Parlamentsgebäude die Polizei sammelte. Alles deutete auf einen Sturmangriff hin, doch gleichzeitig nahm auch die Aufregung zu, denn der beißende Rauch, der auch Bronstein das Atmen schwer machte, hatte an Intensität gewonnen. Vom Ring her war durch das Getöse das charakteristische Geräusch der Feuerwehr zu hören, aber gerade dort war die Traube der Demonstranten am dichtesten. Bronstein winkte Jelka zu sich: „Haut euch über die Zweierlinie, und dann am besten quer durch den 7. Hieb. Da müsstet ihr am ehesten weiterkommen. Und beeilt euch, weil gleich ist da endgültig der Teufel los.“
    Jelka nickte nur und schlüpfte aus der Tür. Die drei Frauen folgten ihr. Die Seiler schickte Bronstein einen Blick, den er nicht zu deuten wusste, aber er beschloss, er hatte mehr Anerkennendes als Tadelndes, und so nickte er ihr zu. „Ich besuch dich morgen“, rief er Jelka noch hinterher, und dann waren dievier Personen auch schon in der Menge verschwunden. Bronstein wandte sich an Cerny, der der ganzen Situation schweigend gefolgt war. „Cerny, ich hab echt was gut bei Ihnen“, keuchte
    Bronstein. „Für uns, tät ich sagen, ist der Dienst da aus. Schau’n wir, dass wir weiterkommen.“ Bronstein wollte sich nun ebenfalls zum Gehen wenden, als er sah, wie auf der obersten Stufe zum Haupttor ein Polizist mit gezogenem Säbel auf einen Demonstranten losstürmte. „Tun Sie das nicht“, rief er instinktiv und machte einige Schritte auf die beiden zu. Dann traf ihn ein Hieb am Hinterkopf, und ihm wurde schwarz vor Augen.

X. Samstag, 16. Juli 1927
    Cernys Gesicht war das Erste, was Bronstein erkannte, als er wieder erwachte. „Mein Kopf“, stöhnte er und nahm von seinen Bemühungen, sich aufzusetzen, gleich wieder Abstand.
    „Bleiben Sie ganz ruhig, Herr Oberstleutnant“, begütigte ihn Cerny, „Sie haben ordentlich eins über die Rübe bekommen, deswegen werden Sie noch einige Tage ziemliches Schädelweh haben, fürchte ich.“
    „Was ist überhaupt passiert?“, hauchte Bronstein.
    „Irgendwer hat Ihnen mit einem Brett einen Schlag auf den Kopf versetzt. Sie sind sofort weggeknickt und waren bewusstlos. Ich hab Sie dann aus dem ganzen Kuddelmuddel rausgezogen und über den Schmerlingplatz in die Reichsratsstraße geschleppt. Dort wohnt auf Nummer 1 ein Arzt, den ich zufällig kenne, und bei dem habe ich Sie untergebracht, bis wir Sie mit der Rettung hierher ins Spital führen konnten. Das hat aber noch hübsch ein Zeiterl gedauert.“
    „Wieso, was war denn noch los?“ Bronsteins Stimme war leise, und die Mattigkeit war ihm nicht nur anzusehen, sondern auch anzuhören.
    „Wenn Sie wüssten, Herr Oberstleutnant“, begann Cerny, „ich habe ja schon gestern mit dem Schlimmsten gerechnet, aber …“
    „Gestern? Ist heute schon Samstag?“ In Bronsteins Frage klang Überraschung mit.
    „Ja, und zwar ist es schon acht Uhr morgens vorbei. Sie waren zwanzig Stunden weg.“
    „Na servas.“
    Cerny wartete, bis Bronstein die eben erhaltene Information verdaut hatte, ehe er mit seinem Bericht fortfuhr. Erst als Bronstein noch einmal zu wissen begehrte, was sich weiter zugetragen hatte, griff Cerny den Erzählfaden wieder auf. „Der Palast ist schließlich gänzlich in Flammen gestanden und bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Da waren wir zum Glück schon aus der Gefahrenzone. Die Feuerwehr hat eh versucht, den Brand zu löschen, aber sie ist nicht durchgekommen in dem Tohuwabohu. Und dann hat die Polizei Schießbefehl bekommen.“
    „Schießbefehl“, Bronstein klang entsetzt.
    „Schießbefehl“, bestätigte Cerny bitter. „Das war natürlich ein kapitaler Blödsinn – jetzt einmal so ganz unter uns, Herr Oberstleutnant ...“
    „Jetzt vergiss endlich einmal den Oberstleutnant. Immerhin hast du mir

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