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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Margaretenplatz in die Pilgramgasse einbiegen konnte. Dort stieg er in die Stadtbahn ein, die ihn zum Karlsplatz brachte. Wieder an der Oberfläche, nahm er die Ringlinie und fuhr damit bis zum Schottenring. Wenige Minuten vor acht Uhr betrat er das Amtsgebäude und saß Punkt acht auf seinem Schreibtischsessel.
    Der Amtsdiener hatte bereits die Morgenblätter gebracht, und Bronstein ging sie gustierend durch. Als er im unteren Bereich des Stapels für ihn überraschend auf das „Kleine Blatt“ stieß, legte er die „Wiener Zeitung“, die er zuerst an sich genommen hatte, wieder beiseite und griff sich das sozialdemokratische Boulevardorgan.
    Auf Seite 4 stand der neueste Bericht über den Schattendorfer Prozess. Dort war am Vortag nicht länger im Trüben gefischt worden, endlich ging es um Fakten, denn die Sachverständigen hatten das Wort. Deren wichtigste Erkenntnis bestand einerseits darin, dass sich am Wirtshaus der Frontkämpfer nicht der geringste Einschlag gezeigt hatte, und andererseits darin, dass die beiden Opfer Schrotkugeln zum Opfer gefallen waren. Bronstein wusste als langgedienter Exekutivbeamter diese Informationen zweifelsfrei zu deuten. Konkret war damit die Aussage der Frontkämpfer widerlegt, die Sozis hätten auch geschossen, sodass sich die Frage gar nicht mehr stellte, wer angefangen hatte, denn die eine Seite hatte offensichtlich überhaupt keinen Schuss abgegeben. Das bedeutete gleichzeitig unwiderstreitbar, dass die beiden Opfer von Frontkämpfern getötet worden waren, denn nur diese hatten Schrotflinten verwendet, wie sie selbst in ihren Aussagen zugegeben hatten, war doch von ihnen behauptet worden, die Gegenseite hätte sie mit Revolvern beschossen. Es fanden sich aber, so die Gutachter, keinerlei Munitionsrückstände, die von solchen Waffen stammen konnten, und auch keinerlei Einschläge. Bronstein musste dem Berichterstatter der Zeitung beipflichten: Die wesentliche Rechtfertigungslinie der Frontkämpfer war damit in sich zusammengebrochen. Dies umso mehr, als der Sachverständige angab, aus dem Eintrittswinkel der Schrotkörner in den Schädel des Csmarits ergebe sich eine Flugbahn, die darauf schließen lasse, dass der Schütze sich in einer höheren Position als das Opfer befunden habe. Während nun die Fenster der Gastwirtschaftdiesem Ansatz entsprächen, sei auszuschließen, dass eine der auf der Straße befindlichen Personen den Mann auf diese Weise hätte treffen können. Der Sachverständige für Schusswaffen, der im Anschluss seine Thesen präsentierte, bestätigte, so hieß es in dem Bericht, die Aussagen seines Kollegen vollinhaltlich. Überdies sei festgestellt worden, dass am Haus der Frontkämpfer lediglich kleinere Beschädigungen aufgetreten seien, die von Steinwürfen herrührten, wobei der eine Sachverständige von vier, der andere von acht bis zehn solcher Beschädigungen berichtete. Zumeist sei nur der Verputz abgebröckelt, in einem Fall aber sei eine Fensterscheibe gesprungen. Umso bemerkenswerter sei in diesem Lichte der Umstand, dass seitens der Frontkämpfer acht bis neun Schüsse abgegeben worden seien, die allesamt Menschen gefährden mussten. Die drei Angeklagten hatten also ganz genau gewusst, worauf sie sich einließen, dachte sich Bronstein. Aber diesen Verdacht hatte er ohnehin schon von Anfang an gehegt. Eigentlich war die Sache für ihn mittlerweile klar. Die drei Frontkämpfer mussten wegen Gemeingefährdung und groben Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung verurteilt werden, da führte kein Weg mehr daran vorbei. Ob es allerdings gelingen würde, einen der drei auch wegen fahrlässiger Tötung oder gar wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge belangen zu können, würde wohl erst ein weiterer Prozess klären können. Doch Bronstein wusste, diese Erkenntnisse halfen ihm in seinem eigenen Fall nicht weiter. Noch dazu, und dies lag ihm schwer im Magen, würde er dem Präsidenten persönlich Bericht erstatten müssen. Diese Erkenntnis verlangte nach einer weiteren Zigarette.
    Doch diese wollte ihm nicht so richtig schmecken. Er überlegte, was er ändern musste, um sich doch einigermaßen wohlfühlen zu können. Auf Pokornys Schreibtisch ruhte eine leere Kaffeetasse. Das war’s! Einen Kaffee, den konnte er jetzt wahrlich vertragen. Er dämpfte die Zigarette nach wenigen Zügenaus und verließ sein Büro, um sich in der kleinen Küche am Ende des Stockwerks einen Kaffee zu organisieren. Üblicherweise übernahm Pokorny diese

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