Ezzes
hoffen, dass Pokorny in der Zwischenzeit Fortschritte gemacht hatte.
Als der Zug Liesing passierte, fiel Bronstein siedend heiß ein, dass er am Südbahnhof ankommen würde. Wie ärgerlich, dass er sich im „Westend“ verabredet hatte, das sich gegenüber dem Westbahnhof befand. Immer wieder verwechselte er die beiden bedeutenden Bahnhöfe! Jetzt konnte er mit der Straßenbahn noch eine halbe Stunde durch die Gegend zuckeln. Hoffentlich würde Pokorny warten.
Zu Bronsteins Überraschung befand sich Pokorny noch gar nicht im Lokal, als er es betrat. Er fragte sich einen Augenblick, ob er sich in der Zeit geirrt hatte, kam dann aber zu dem Schluss, dass sich Pokorny eben wieder einmal verspäten würde. Er nutzte die Zeit, um sich das „Kleine Blatt“ zu schnappen, welches sicher wieder ausführlich über den vergangenen Prozesstag berichten würde. Und in der Tat wurde er alsbald fündig.
Zunächst, so konnte er lesen, waren die restlichen Zeugen vernommen worden, zum größten Teil Frontkämpfer und damit, wie Bronstein ohne Umschweife schloss, Partei. Danach allerdings wurde es spannend, die Gutachter hatten ihre große Stunde, denn viel würde, so war auch Bronstein klar, von den Sachverständigen abhängen. Doch er sah sich schnell enttäuscht. Die Gutachter wurden erst am Dienstag einvernommen, da die Zeugen derart viel Zeit verbraucht hatten, dass sich das Gericht vertagt hatte. Bronstein würde also erst am nächsten Tag erfahren, was sich in dieser Causa Neues entwickelte. Doch er war darob nicht wirklich unglücklich, denn just im Moment dieser Erkenntnis kam Pokorny bei der Tür herein.
Er schnaufte wie die Dampflok, die sich den Semmering hinaufquälte, machte dabei eine lasche Geste, die mit etwas gutem Willen als Begrüßung durchging, und ließ sich schwer auf denSessel gegenüber Bronsteins Sitzgelegenheit plumpsen. „Der Verkehr“, keuchte er und rang nach Atem, „ein Wahnsinn.“
„Ja, dir auch einen schönen Abend, Pokorny“, ließ sich Bronstein vernehmen, und es war dabei nicht zu überhören, dass er irritiert klang. Dennoch beschloss er, Pokorny erst einmal eine kleine Erholungspause zu gönnen, ehe er auf das eigentliche Thema zu sprechen kommen wollte. Daher winkte er dem Kellner und bestellte noch zwei Schalen Gold.
„Alsdern“, sagte er, als er meinte, Pokorny habe nun genug verschnauft, „wie schau’n ma aus?“
„Mir schau’n bled aus der Wäsch’“, entgegnete Pokorny, „die Verkäuferin war gar ned da. Das G’schäft war zug’sperrt. Einfach so. Vor der Tür sind a paar alte Damen g’standen, die si furchtbar aufg’regt hab’n, weil’s jetzt nix zum Essen kaufen können, aber da war absolut nix zum Machen. Zu is zu, ned?“ Bronstein hoffte inständig, dass diese Feststellung nicht Pokornys einziger Erkenntnisgewinn geblieben war, und so sah er sein Gegenüber erwartungsvoll an. Doch entgegen aller Gewohnheit blieb Pokorny stumm.
„Du willst mir doch nicht sagen, dass das alles ist?“, fragte Bronstein entgeistert. Pokorny zuckte mit den Schultern: „Na ja, zu is zu. Da kann man nix machen.“
Bronstein war nahe dran, die Geduld zu verlieren. Entweder redete einen dieser Pokorny ins Grab oder er schwieg wie ein solches. Offenbar hatte der Mann keinerlei Gespür für ein vernünftiges Mittelmaß. Bronstein blies demonstrativ Luft aus: „Also noch einmal, und diesmal der Reihe nach. Was wissen wir über die angebliche Villa in Döbling und welche Fortschritte gibt es hinsichtlich der drei uns noch unbekannten Verkäuferinnen?“
„Das mit der Villa stimmt. Die haben wir gefunden. Und die hat er wirklich geerbt, so wie wir uns das gedacht haben. Aber ich glaub nicht, dass er dort oft war, denn die ist vermietet. Aneinen Herrn aus dem Justizministerium. Den haben die Kollegen auch schon befragt. Wenn das stimmt, was der sagt, dann hat der Guschlbauer mit der Villa mehr im Monat g’macht als mit seine Simmeringer Zinshäuser.“
„Wissen wir eigentlich schon, wer das alles erbt?“
„Na, siehst, des hamma uns noch gar nicht überlegt.“
„Sollten wir aber. Das wär immerhin auch ein Motiv, würd’ ich einmal sagen.“
„Da hast freilich recht“, nickte Pokorny, „des erledig’ ich gleich morgen am Vormittag. Komm ich halt a bissl später ins Amt.“
Bronstein signalisierte Zustimmung zu diesem Vorhaben, dann sagte er: „Und so wissen wir immer noch nix über diese Verkäuferin?“
„Na ja, ich hab dann mit diese Stammkunden g’red’t,
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