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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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würde der Wahrheit wohl nie ins Auge sehen, und er, Bronstein, hätte nur riesige Scherereien, an deren Ende er sich als kleiner Revierinspektor nach Penzing versetzt sehen würde. Daher nahm er all seine Kraft zusammenund zwang seinen Kopf zu einem Nicken. „Das ist natürlich möglich, Herr Präsident. Aber meiner Erfahrung nach wenig wahrscheinlich. Auch große Geister fallen mitunter banalen Katastrophen des Alltags zum Opfer. Und nicht alle Menschen sind gänzlich ohne Fehl und Tadel. Ich halte die Version, die ich Ihnen dargelegt habe, für die wahrscheinlichste, und daher würde ich auch gerne in diese Richtung ermitteln. Zudem ist sich die Gerichtsmedizin sehr sicher, dass wir es mit nur einem Täter zu tun haben.“
    Den letzten Satz hatte er sich wohlüberlegt für den Schluss aufgehoben, denn der sollte seine Wirkungsmächtigkeit so richtig entfalten können. Tatsächlich blieb Schober für einen Augenblick der Mund offen. Der Präsident rang sichtlich mit sich, ob er auf seinem Standpunkt, für den, wie er selbst wusste, recht wenig sprach, gegen jede Logik beharren oder aber Bronstein vorerst gewähren lassen sollte. Bronstein fühlte, dass er Oberwasser bekommen und den Anfeindungen seines obersten Vorgesetzten erfolgreich widerstanden hatte. Dementsprechend entspannte er sich, und fast unmerklich zeigte sich ein schmales Lächeln auf seinen Lippen.
    „Bis Ende der Woche“, krächzte Schober, „erwarte ich Ergebnisse. Und zwar mit Hand und Fuß, damit wir uns verstanden haben. Und jetzt schauen S’, dass was weitergeht. Wiederschau’n.“ Na bitte, jetzt musste der Präsident seinen Zorn niederkämpfen. Aber vielleicht, so dachte Bronstein, als er sich nickend anschickte, das Büro zu verlassen, hatte Schober wenigstens in einem Punkt recht behalten. Er, Bronstein, war ein Pyrrhus. Noch so ein Sieg, und er war wirklich verloren.
    Als er wieder auf dem Gang stand, fingerte er eine Zigarette aus dem Etui, die er mit zittriger Hand anzündete. Was hatte er eben getan? Er hatte sich mit dem obersten Chef angelegt. Eine solche Vorgangsweise war nicht einmal dann ratsam, wenn man alles Recht auf seiner Seite wusste. Er aber tappte nachwie vor völlig im Dunkeln. Der Fall drohte eine katastrophale Niederlage für ihn zu werden, und er kam auf keine bessere Idee, als den Präsidenten zu brüskieren. Servus Kaiser, er war ruiniert, so viel stand einmal fest.
    Unsicheren Schritts begab er sich zurück zu seinem Büro. Ob er gleich damit beginnen sollte, seinen Schreibtisch auszuräumen? Vielleicht minderte es seinen Fall, wenn er freiwillig um Versetzung ansuchte? Gab es irgendjemanden, den er um Hilfe angehen konnte? Nein, er war völlig auf sich allein gestellt, und die einzige Chance, die es für ihn noch gab, war, den Fall Guschlbauer bis zum Ende der Woche zu lösen. Wenn er doch endlich wüsste, wo er die zweite Verkäuferin finden konnte!
    Als er sein Amtszimmer betrat, wurde er launig von Pokorny begrüßt, der eben damit beschäftigt war, eine Beamtenforelle zu schälen. „Horrido“, trällerte Pokorny, „alles senkrecht?“ Eigentlich nicht.
    „Sag einmal, Pokorny“, ging Bronstein gar nicht näher auf dessen Frage ein, „kann es sein, dass der Präsident gewisse allgemeine Vorurteile gegen einen bestimmten Teil der Bevölkerung hegt?“
    „Wie meinst denn jetzt nachher des?“
    „Na ja, du weißt schon. Ob er was gegen jemanden hat, nur weil der, sagen wir …“
    „Bronstein heißt“, vollendete Pokorny den Satz, „nein, das glaub ich nicht. Der Schober ist sicher kein Antisemit. Er kann nur die Juden net leiden, des is alles.“ Na wie beruhigend.
    „Und kann es sein, dass er mit einer solchen Haltung nicht alleine dasteht im Präsidium?“
    „Du“, beruhigte ihn Pokorny, „da würde ich mir keine sonderlichen Sorgen machen. Des is alles mehr oder weniger a Hetz, weißt eh. Wenn’s nicht so läuft, wie man will, dann is man halt schnell a bissl gehässig gegen Juden, Behm, Pollaken, Krowotn und sonstige Zigeiner. Aber da brauchst net viel d’rauf geben.Des is alles nur Gerede. Mir san in Wien, da wird nix so heiß g’essen, wie’s kocht wird. Wirst sehen, des is mehr so a Sport unter die arischen Kollegen.“
    Das vorletzte Wort hatte Pokorny spöttisch gedehnt. Doch Bronstein empfand das nicht als Trost. „Was mach i, wenn der jetzt an Pick auf mi hat?“, fragte er mehr in den Raum als in Richtung Pokorny. Dennoch war es Letzterer, der antwortete: „Dasselbe wie immer.

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