F (German Edition)
–»
«Schon gut», flüstert sie mir ins Ohr. «Schon gut.»
Heiß ist es, sie hat keine Klimaanlage, von so etwas, meint sie, wird man krank. Und mir ist, als stünde ich auf, träte zurück und sähe uns zu: Ein wenig sonderbar das Ganze, eher albern als peinlich, und ich frage mich, ob die Leute, die so gern von der Würde des Menschen sprechen, das hier eigentlich schon einmal nüchtern betrachtet haben. Aber zugleich bleibe ich der auf dem Teppich, und ich spüre, dass der Moment gleich da sein wird, in dem ich nicht mehr gespalten bin, sondern eins, und nur für Sekundenbruchteile taucht in mir der Gedanke auf, dass ich mich erpressbar mache, falls es in diesem Raum eine Kamera gibt, und dann ist da das Bild Lauras, die ich schon wieder hintergehe und der ich unrecht tue, indem ich sie ständig belüge, aber im nächsten Augenblick ist das Bild wieder verschwunden, und ich weiß nur noch, dass jeder Mensch tun muss, was ihn rettet, und alles ist endlich das, was es ist und nichts sonst, alles ist endlich gut.
Wir liegen auf dem Rücken, ihr Kopf auf meiner Brust. Ich will nirgendwohin, nichts macht mir Sorgen. Lang wird das nicht anhalten.
«Wie geht es ihr?», fragt Sibylle.
Ich muss überlegen, um zu verstehen, wen sie meint. Ich wiege den Kopf und streiche über ihr seidiges Haar. Schon wird alles, was mich bedrängt, wieder wirklich.
«Vielleicht könnte ich ihr helfen.»
Ich ziehe meine Hand zurück.
«Ich meine, ich könnte einen Kollegen empfehlen. Begleitende Gesprächstherapie. Wenn sie wieder gesund ist, führen wir alle unser Leben weiter. Sie ihres. Und wir beide unseres. Zusammen.»
Am Anfang verfolgte ich noch keine Absicht damit, es war eine Geschichte von vielen, die ich erzählt habe, aber später erwies sie sich als hilfreich: Niemand kann eine krebskranke Ehefrau verlassen, niemand darf das verlangen. Und manchmal kommt es mir vor, als wäre diese Version tatsächlich wahr – als spielte sie sich in einem anderen Weltall genau so ab, wie ich sie Sibylle erzählt habe. Ich könnte darüber mit einem Therapeuten reden, aber Sibylle will mich nicht mehr behandeln, und mit jemand anderem möchte ich es nicht versuchen, ich habe schon genug Probleme.
«Ich muss gleich los», sage ich.
Wie seltsam, dass ich den ganzen Tag an sie denke und doch nur verschwinden will, sobald ich bei ihr bin. Sanft schiebe ich ihren Kopf beiseite, stehe auf und beginne, meine Kleider zusammenzusuchen.
«Immer hast du es eilig.» Sie lacht traurig. «Du lässt mich im Kino sitzen, und dann schreibst du solche Nachrichten! Mein Therapeut hat mich gefragt, warum ich mir das antue. Weil du gut aussiehst? Ich habe gesagt, so gut sieht er nicht aus, aber dann wollte er dein Foto sehen, und ich konnte es nicht leugnen. Oder wegen dem hier?» Sie deutet auf den Teppich. «Ja, es ist gut, wirklich gut, aber das liegt auch an der Übertragung. Mein Therapeut meint, dass ich Reaktionen zeige, die ganz automatisch getriggert werden vom Zusammentreffen von Regression und Aggressivität. Was soll man da tun!»
Ich räuspere mich zustimmend, steige in meine Hosenbeine, knöpfe das Hemd zu, binde ohne Spiegel die Krawatte und bringe es fertig, so zu blicken, als verstünde ich, was sie meint.
«Keine Sorge», sagt sie. «Du schaffst das. Du bist stärker, als du denkst.»
«Ich weiß.»
Sie lächelt, als hätte sie einen hintergründigen Scherz gemacht, ich lächle auch und gehe aus dem Zimmer. Ich haste die Treppe hinunter und laufe auf die Straße. Auf der anderen Seite ist ein Bürohaus, ich nehme den Hintereingang, fahre in den ersten Stock, stelle mich bei Starbucks an und hole mir einen geschäumten Sojamilchcappuccino, damit Knut sieht, dass ich wirklich in dem Haus gewesen bin. Dann fahre ich wieder hinunter und gehe auf der anderen Seite hinaus. Ich sehe Knut sofort.
Er hat Streit mit einem Straßenkehrer, die Lage sieht ernst aus. Der Mann hat seinen Besen zum Schlag erhoben, Knut ballt die Fäuste, beide sondern einen unaufhörlichen Strom von Schimpfwörtern ab. Das macht die Hitze, alle sind heute gereizt. Interessiert höre ich zu.
«Schweinvieh!», brüllt Knut.
«Dreckshund!», brüllt der Straßenkehrer.
«Scheißmaul!»
«Drecksau!»
«Sauschwein! Schwein! Schwein!»
Das gefällt mir, aber ich habe keine Zeit. Also nehme ich einen Schluck Kaffee, stelle den Becher auf den Boden und gehe auf Knut zu.
«Mieses altes fettes Schwein!», schreit Knut. «Glatzkopf! Scheißschwein!»
Ich schiebe
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